Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
erwartete. Hefele und Strobl durchmaßen den Korridor mit schnellen Schritten, Kluftinger jedoch ließ sich ein wenig zurückfallen. So hatte er Gelegenheit, sich die Aushänge anzusehen. Bei einer Pinnwand mit der Aufschrift »Herzgesunde Ernährung« blieb er stehen und überflog die Angebote und Flyer: Ein Kochkurs für Patienten wurde da beworben, zahlreiche Vorträge über gesundes Essen, Heilfasten und Trinkkuren. Zudem wurden ein Kräuterteeseminar und ein Gemüse-Kochworkshop angekündigt. Als Letztes entdeckte er schließlich den Speiseplan der Klinik. Die verschiedenen Alternativen waren mit Farben gekennzeichnet, wobei Hellblau für »Schonkost« stand. Für heute waren darunter »Grünkerntaler an Bohnenschaum und Himbeer-Buttermilch-Dessert« aufgeführt.
Gar nicht so ohne,
dachte der Kommissar. Er beschloss, das Erika fürs nächste Sonntagsessen vorzuschlagen – die war schließlich immer froh, wenn er sich auch mal was wünschte. Vor allem, wenn es was Gesundes war.
»Grünkerntaler an Bohnenschaum«, murmelte er wie ein Mantra wieder und wieder vor sich hin, als er zu den ungeduldig wartenden Kollegen aufschloss.
»Was sagst du?«, erkundigte sich Hefele.
Kluftinger schüttelte nur den Kopf. »Davon versteht’s ihr eh nix.« Er bat Hefele, sich ein wenig in der Klinik umzusehen, um einen allgemeinen Eindruck des ganzen Betriebs zu bekommen. Vielleicht könnte er auch mit ein paar Patienten Gespräche führen. Kurz nach dem Aufenthalt von Kluftingers Vater hatte ein großer Medizinkonzern die Klinik übernommen; vielleicht stand ja nicht mehr alles zum Besten mit dem Betrieb.
Wenig später saßen Strobl und Kluftinger vor dem Schreibtisch des ärztlichen Direktors. Professor Uhl war erstaunlich jung für die Position, die er innehatte, fand Kluftinger: Er schätzte den Mann auf etwa Mitte vierzig. Er war braun gebrannt, drahtig, hatte dichtes, kurz geschorenes Haar und wirkte in seiner weißen Jeans und seinem hellblauen Polohemd so ungeheuer vital, dass Kluftinger die Einschätzung seines eigenen Gesundheitszustandes gleich noch einmal deutlich nach unten korrigierte.
»Nur zum Verständnis: Sie haben keinen Toten gefunden, nur eine große Menge Blut, das mit Cordial versetzt war.«
»Genau. Der Medikamententest wird doch ausschließlich hier durchgeführt, oder nicht?«
»Richtig. Wir sind als einzige Einrichtung befugt, die klinische Erprobungsphase von Cordial durchzuführen. Wir sind schon in der Endphase der Erprobung – und haben vielversprechende Erfolge verbuchen können. Wir behandeln ja Patienten mit stark eingeschränkter Pumpfunktion des Herzens, etwa wegen einer schweren koronaren Herzerkrankung nach Herzinfarkten oder einfach einer schweren Herzmuskelschwäche. Diese sterben häufig an tödlichen Herzrhythmusstörungen, meistens Kammerflimmern. Zur Verbesserung ihrer Prognose erhalten solche Patienten einen AICD , also einen automatischen intrakardialen Defibrillator. Eine Art Herzschrittmacher, der aber nicht nur das Herz stimuliert, wenn die eigene elektrische Stimulation ausbleibt, sondern auch bei Auftreten von lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen diese durch einen Elektroschock beendet. Aber so ein Elektroschock, vor allem bei vollem Bewusstsein, ist keine angenehme Sache, um’s mal vorsichtig zu formulieren.«
Kluftinger nickte. Er wollte sich das lieber gar nicht vorstellen.
»Bisher gibt es kein Antiarrhythmikum auf dem Markt, das das Leben dieser Patienten mit gleicher Sicherheit verlängern kann wie der AICD . Unser Herzmedikament scheint nun der Durchbruch zu sein.« Uhl klang stolz, als er das sagte. »In Zellstudien konnte es die elektrische Erregbarkeit stabilisieren und in Tiermodellen mit schwerstgradiger Herzmuskelschwäche das Auftreten von tödlichen Herzrhythmusstörungen fast ganz unterdrücken. Wenn die endgültige Zulassung Ende dieses Jahres erteilt wird, werden wir auf diesem Gebiet einen großen Schritt weiter sein.«
»Und niemand sonst kann an das Medikament kommen?«
»Nein.« Die Antwort war eindeutig.
»Mein Kollege Doktor Gordian Steiner, unser Chefarzt in der Kardiologie, leitet übrigens die Testreihe. Sie dient ihm gleichzeitig als Thema seiner Habilitationsschrift. Vielleicht sollten Sie lieber ihn dazu fragen.«
Kluftinger horchte auf. Doktor Steiner, der Chefkardiologe der Rehaklinik, war der Arzt, den er wegen seines Herzstechens konsultiert und der ihn dann zunächst an Langhammer verwiesen hatte. Ob ihm dieses neue
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