Herzen aus Asche
Magen umdrehte. Nur mit Mühe konnte sie den Brechreiz unterdrücken. Sie würde vor ihm nicht fliehen können. Wenn sie Sara und Mikael warnte, würden sie Amelie allenfalls vorwerfen, Drogen genommen zu haben. Ihr würde doch niemand glauben! Es musste einen Weg geben, den Spuk zu beenden. Es musste einfach.
Amelies Knie zitterten, sie musste sich immer wieder an den Sitzbänken abstützen, als sie aus der Kirche hi naus torkelte. Mittlerweile kamen die ersten Besucher des Gottesdienstes herein. Amelie beachtete sie nicht. Sie stieß mit einer älteren Dame zusammen, murmelte eine undeutliche Entschuldigung und trat hinaus an die frische Luft.
Für immer dein
Als Amelie das Tor zum Vorgarten der Villa erreichte, regnete es in Str ömen. Das Wasser entlockte dem Boden einen erdigen Geruch nach Sommer. Pfützen hatten sich auf dem festgetretenen Pfad gebildet. Ihre Füße in den Sneakerturnschuhen waren nass, der Pferdeschwanz klebte im Nacken und eine Gänsehaut nach der anderen jagte über ihre Arme. Sie ging durch den Vorgarten, der seit ihrem Einzug in die Villa zwar nicht mehr einem Urwald glich, aber noch immer weit entfernt von dem war, was ein Mensch mit einem Minimum an Sinn für Ästhetik als gepflegt bezeichnet hätte. Sie stieß den überhängenden Ast eines Holuntergebüschs zur Seite und zog den Hausschlüssel aus ihrer Hosentasche. Es war bereits nach Mittag und sie hatte seit Stunden nichts mehr gegessen, doch der Appetit war ihr gründlich vergangen.
Ich sollte aufhören, Nachforschungen zu betreiben , dachte sie. Jedes Mal, wenn ich das tue, endet es für mich in einem Schock. Nicht mehr lange, und ich sterbe noch an einem Herzinfarkt. Sie versuchte, sich selbst einzureden, dass die Situation noch nicht ausweglos sei, dass ihr schon etwas einfallen würde, um Jarik von dem bösen Fluch zu befreien, sofern sich ihre Mutmaßungen überhaupt als wahr herausstellten. Erst einmal würde sie mit Leif darüber reden, danach hatte sie sich bislang immer besser gefühlt. Nun, jedenfalls hatte niemand auf dem Heimweg versucht, sie umzubringen. Immer positiv denken.
Sie schloss die Tür auf und schaltete das Licht ein. Dann zog sie die durc hnässten Schuhe und die Jacke aus. Der Kronleuchter im Flur flackerte stärker als sonst, eine weitere Glühbirne war durchgebrannt. Flüchtig streifte sie der Gedanke, dass Leif den Strom nicht bezahlte. Sie wusste nicht einmal, wie er es bewerkstelligt hatte, die Leitungen anzuzapfen, ohne das Haus verlassen zu haben. Nun, sie nahm an, dass Geister über andere Mittel verfügten als Sterbliche.
Immerhin kann er auch Mobilfunknetze stören und Postkarten in Briefkästen auftauchen lassen, wie er bereits eindrucksvoll bewiesen hat.
Amelie hatte die Treppe noch nicht e rreicht, als Leif auf einer mittleren Stufen auftauchte und zu ihr herunter kam. Heute trug er kein weißes Hemd, sondern einen schwarz-weiß gestreiften weiten Pullover, der ihm nicht besonders gut stand. Amelie sah ihn lieber in enger sitzender Kleidung, die seine breiten Schultern mehr zur Geltung brachten. Doch sie war überglücklich, ihn überhaupt zu sehen.
»Leif!«, rief sie, machte einen Satz nach vorne und warf sich um seinen Hals. »Ich habe Neuigkeiten«. Ihre Stimme klang erstickt, weil sie in seinen Pullover hinei nsprach. Er legte seine Arme um sie, sagte aber nichts. Sie löste sich von ihm und sah zu ihm auf. Auf seinem Gesicht lag ein seltsamer Ausdruck, irgendetwas zwischen Mitleid und Schwermut. Er lächelte mild.
»Leif, ich bin in der Kirche in Alt-Uppsala gewesen.« Amelie strich sich e ine nasse Strähne aus dem Gesicht, die an ihrer Stirn klebte. Sie brannte darauf, ihm zu erzählen, was sie herausgefunden hatte.
»Nun sprich mal langsam, meine Schöne. Eins nach dem anderen.«
Amelie warf ihm einen schiefen Blick zu, ging jedoch nicht auf den seltsamen Kosenamen ein, den er noch nie für sie verwendet hatte. Sie atmete einmal tief durch, ehe sie fortfuhr.
»A ls ich das erste Mal mit einem Geist in Kontakt getreten war, ist einen Tag später etwas aus der Kirche gestohlen worden, zeitgleich hat der Dieb einen Eintrag im Gästebuch hinterlassen, der mich extrem an unseren Killer erinnert - Runen. Außerdem hat er seinen Namen preisgegeben.« Sie schlug die Hand vor ihr Gesicht und gab sich Mühe, die Tränen zurückzuhalten. »Oh Leif, ich fürchte, mein Freund Jarik ist der Geisterbeschwörer.«
Er strich ihr über den Kopf. »Beruhige dich, Amelie. Du regst dich viel
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