Herzen aus Asche
ließ das Thema auf sich beruhen und wandte sich zum gehen ab. »Komm jetzt, uns läuft die Zeit davon.«
Sorgsam darauf achtend, keinen Blick durch das Schaufenster des Antiquit ätenladens zu werfen, ging Amelie voran Richtung Innenstadt.
***
Das Tor zum Vorgarten quietschte noch immer. Amelie nahm sich seit ihrem Einzug vor zehn Tagen vor, es zu ölen, doch immer hatten sie wichtigere Pflichten davon abgehalten. Es gab einfach viel zu viel zu tun, als dass man je mit allem fertig werden konnte. Jeden Abend fegte sie stundenlang den Mosaikboden im Untergeschoss, doch es schien, als rieselte immer neuer grauer Staub von der Decke herab. Es brachte sie zur Verzweiflung.
Amelie schloss die Eingangstür auf und betrat den weitläufigen Flur. Es dämmerte bereits, und ein letzter Rest des sterbenden Tageslichts fiel durch die staubbli nden Fensterscheiben neben der Tür. Sie betätigte den Lichtschalter. Mit einem lauten Knall gab eine weitere der zwölf Glühlampen des Kronleuchters den Geist auf. Mittlerweile spendete er kaum mehr Licht als die Notbeleuchtung über den Türen in der Uni. Amelie seufzte. Noch etwas, das es zu erledigen galt. Sie setzte den Kauf neuer Glühlampen unter ihre gedankliche To-Do-Liste.
Sie stieg die Stufen der dunklen Mahagonitreppe hi nauf. Sie knarrte bei jedem Schritt. Im Flur des Obergeschosses blieb sie stehen und lauschte. Sie wusste, dass es albern war, aber große einsame Häuser weckten in den meisten Menschen ein Gefühl der Beklemmung und der Angst, jemand Unerwünschtes könnte sich in den zahlreichen Zimmern aufhalten. Amelie bildete keine Ausnahme, doch es blieb vollkommen still, so still, dass ihr ein eiskalter Schauder über den Rücken lief. Das war beinahe noch schauriger als die Geräusche eines maroden Gebäudes, nicht einmal die alten Balken der Deckenkonstruktion ächzten.
Amelie wandte s ich nach rechts, betrat ihr Schlafzimmer und warf die Einkaufstüte mit der neuen Jeansjacke in eine Ecke. Beinahe stolperte sie über einen Umzugskarton, den sie achtlos in den Weg gestellt hatte. Sie stieß sich den Fuß daran und fluchte. Über den gesamten Boden verteilten sich Kisten, Tüten und andere Behältnisse. Es sah aus wie nach einem Bombenanschlag, aber Amelie hatte bislang nicht die Zeit gefunden, ihre Habseligkeiten auf die Schränke zu verteilen. Der Raum war sehr groß und quadratisch, jede Wand maß mindestens sechs Meter. Die Lampenschale, die von der Mitte der Decke aus ein kümmerliches 40-Watt-Licht verströmte, vermochte die hintersten Ecken kaum auszuleuchten. Es gab ein großes Fenster nach Osten, und bei gutem Wetter reichte das Tageslicht völlig aus, um bequem lesen und sich wohlfühlen zu können. Doch nach Einbruch der Dunkelheit versprühte das Schlafzimmer den Charme einer zwielichtigen Nachtbar. Noch dazu flackerte die Glühlampe, was nicht gerade für Behaglichkeit sorgte. Links stand ein riesiges Himmelbett, das Kopfende zur Wand. Schwere rote Samtvorhänge umspielten die Eckpfosten. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein imposanter Kleiderschrank mit zwei schweren Türen, die mit aufwendigen Blumenschnitzereien versehen waren. Amelies Mutter hätte sich zwischen all den Antiquitäten im Paradies gewähnt. Stuck an der Decke und eine alte Seidentapete mit floralem Muster unterstrichen den historischen Charme des Zimmers. Einzig die dicke graue Staubschicht, die auch hier in sämtlichen Ritzen und auf dem Parkettboden klebte, zerstörte das Bild.
Amelie beugte sich zu dem Karton hinab und öffn ete den Deckel. Sie wusste nicht, in welchem Behältnis sich welche Gegenstände befanden, denn bei ihrem überstürzten Auszug aus der Wohnung in der Innenstadt hatten ihr ihre Freunde in Rekordtempo geholfen. Jarik, Mikael, und Sara hatten in Windeseile alles willkürlich in Kisten und Kartons gepackt, bevor sie mit einem Lieferwagen aus der Autowerkstatt, in der Mikael arbeitete, nach Länna gefahren waren. Amelies Freunde konnten kaum glauben, dass sie mietfrei in einem solch prunkvollen Anwesen leben durfte. Leif wollte nicht, dass Amelie hier Besuch empfing, aber während des Umzuges hatte es sich nicht vermeiden lassen. Leif hatte sich den ganzen Umzugstag über nicht blicken lassen, was Amelie ihm ein wenig übel nahm. Sie hatte sich Hilfe erhofft, zumal sie wusste, dass er zu diesem Zeitpunkt in der Gegend gewesen war, wie er ihr einen Tag später erzählt hatte.
Amelie griff in den Karton und zog das Witchboard heraus, dass sie vor
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