Herzen aus Asche
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Asche zu Asche
Amelie mochte den Geruch von Möbelpolitur. Er eri nnerte sie an ihre Großmutter, die ihr nach der Schule immer eine Geschichte vorgelesen hatte, als Amelie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Der alten Dame hatte dieser angenehme, erdige Duft stets angehaftet, denn sie hatte viele Jahrzehnte lang das Geschäft für Antiquitäten geführt, ehe sie es an Amelies Mutter vererbt hatte. Amelie hatte ihrer Oma oft dabei geholfen, alte Möbel zu restaurieren. Ihre Mutter interessierte sich hingegen mehr für Schmiedehandwerk und Silberbesteck. Bedauerlich.
Amelie legte das weiche Fleecetuch auf die Theke und stellte die Flasche mit der Politur daneben. Sie strich mit den Händen über den alten Bilderrahmen aus Eiche nholz, der ein eher wertloses Gemälde eines unbekannten Künstlers zur Geltung brachte. Ein Stillleben mit Obst und Blumen - langweilig und nichtssagend. Der Rahmen war es, der Amelies Mutter dazu bewogen hatte, das Bild auf dem Flohmarkt für einen Spottpreis zu erwerben.
»Ich bin fertig.« Amelie stemmte die Hände in die Hüften und beugte sich nach hinten, um den Rücken durchz ustrecken. Vom langen Sitzen auf dem Boden schmerzten ihr alle Knochen.
»Ich danke dir, mein Schatz . Bring das Bild bitte hinten ins Lager.« Inger Ivarsson schaute nicht einmal von ihrer Arbeit auf, um den frisch polierten Bilderrahmen zu begutachten. Sie machte nur eine flüchtige Geste mit der Hand und beugte sich weiterhin über einen Satz alter Münzen, die sie mit einer Lupe untersuchte.
Amelie tat wie ihr geheißen und brachte das Bild, das immerhin fast so breit war wie Amelie groß, in den hint eren Raum des Geschäfts. Sie quetschte es zwischen einen Kronleuchter und einen Stapel alter Zeitungen an die Wand. Der Raum quoll beinahe über. Ihre Mutter kaufte immer mehr und mehr, und das, obwohl die Geschäfte seit Jahren schlecht liefen. Amelie seufzte und wischte sich die mit Politur beschmierten Hände an der alten Schürze ab, ehe sie zurück in den Verkaufsraum ging.
»Hast du schon etwas von Marie g ehört? Hat sie sich gut in Frankreich eingelebt?« Inger legte die Lupe ab und schob das Kästchen mit den Münzen zur Seite. Sie lehnte sich mit den Ellenbogen auf die Theke.
»Sie hat mir eine eMail geschrieben. Sie ist sehr glüc klich in Paris und kann das neue Semester kaum erwarten.« Amelie bemühte sich um einen neutralen Tonfall, doch es gelang ihr nicht recht. Sie konnte einen Hauch von Neid darin nicht vermeiden. »Außerdem hat sie sich verliebt.«
Inger schnaubte und schüttelte den Kopf. »Sofia tut mir leid. Das arme Kind einfach so allein in die Welt ziehen zu lassen ! Ich wäre krank vor Sorge.« Sie warf ihrer Tochter einen anklagenden Blick zu, denn Amelie wusste ganz genau, worauf ihre Mutter hinaus wollte. Sie hatte es nie gutgeheißen, dass Amelie direkt nach dem Schulabschluss aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen war. Und noch weniger war sie begeistert davon gewesen, dass sie jetzt in einer einsamen Villa vor der Stadt wohnte. Amelie war schlau genug gewesen, ihrer Mutter zu verschweigen, dass sie dort mietfrei und allein lebte. Sie hatte ihr erzählt, sie sei Teilhaberin einer Wohngemeinschaft mit Studienkollegen von der Uni. Amelie hatte es bislang geschafft, sie davon abzuhalten, ihre Tochter in Länna zu besuchen. Ihre Mitbewohner wollten keine Besucher, hatte sie geflunkert. Natürlich hatte ihre Mutter daraufhin hanebüchene Thesen aufgestellt, nach denen die Studenten Drogen konsumierten und wilde Parties feierten. Aber das war Amelie allemal lieber als die Wahrheit. Inger hätte sie an den Ohren aus der Villa gezogen, wenn sie gewusst hätte, dass Amelie allein dort lebte und regelmäßigen Kontakt zu einem fremden Hausbesitzer pflegte, der gelegentlich nach dem Rechten sah.
»Mama, Marie und ich sind mittlerweile zweiun dzwanzig Jahre alt. Wir können auf uns selbst aufpassen. Ich wäre froh, wenn ich ein Semester in Paris verbringen dürfte.« Amelie verschränkte die Arme vor der Brust. Es war der Trotz, der aus ihr sprach. In Wirklichkeit hätte sie sich den Schritt, in ein fremdes Land zu gehen, nie getraut. »Und außerdem ist es doch erfreulich, dass sie so glücklich ist. Sie hat einen netten Franzosen kennengelernt. Ich wünsche ihr, dass das Semester ebenso erfolgreich verläuft.«
»Die französischen Männer sind doch alles Charme ure, die armen Austauschstudentinnen Honig ums Maul schmieren, um sie ins Bett zu bekommen.« Immer, wenn
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