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Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Titel: Herzen aus Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona McIntosh
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ihrem bisherigen Zuhause ein wahrer Palast. Sie war daran gewöhnt, sich den ohnehin knappen Raum mit einer ganzen Schar von Geschwistern, drei Großeltern und ihren eigenen Eltern zu teilen.
    Hier in diesem Zimmer, in dem nur noch Namathevi auf der anderen Seite schlief, hatte Kanakammal das Gefühl, ihre eigenen Gedanken zu hören. Die Stille war ein wunderbarer Luxus in ihrem Leben, obwohl diese, dem Lärm nach zu urteilen, den der Herr gerade veranstaltete, vielleicht nur von kurzer Dauer sein würde. Es war ein Schock für sie gewesen, so plötzlich ihr Zuhause verlassen zu müssen. Ein noch größerer Schock war es allerdings gewesen, diesem Fremden als Dienstmädchen übergeben zu werden. Gangai hatte ihr jedoch versichert, dass der Herr nicht viel mehr von ihr verlangen würde, als dass sie ihm täglich eine warme Mahlzeit zubereitete und ein wenig putzte. Da sie wusste, dass ihre Eltern auf das Geld angewiesen waren, war es sehr wichtig, dass sie diese Stelle behielt.
    Sie stieg aus dem Bett. Zum Schlafen war sie ohnehin zu angespannt; ihre Gedanken wollten einfach nicht zur Ruhe kommen. Sie musste sich in dieser neuen Umgebung erst noch zurechtfinden. Außerdem war sie fest entschlossen, einen guten Eindruck zu machen, damit ihre Eltern stolz auf sie sein konnten. Sie legte rasch ihren Sari an und spritzte sich aus der Schüssel auf der Kommode ein wenig Wasser ins Gesicht, bevor sie in aller Eile ihre langen Haare zum Zopf flocht und hochband.
    Immer noch hantierte jemand geräuschvoll herum, doch offensichtlich waren seine Anstrengungen nicht von Erfolg gekrönt. Die Geräusche kamen jetzt näher, scheinbar aus der Küche, also eilte Kanakammal aus ihrem Zimmer und folgte dem Lärm.
    »Guten Abend, Sir«, sagte sie und blieb zögernd im Türrahmen stehen, da sie nicht wusste, ob sie Mr. Bryant in seiner Privatsphäre stören durfte.
    Er fuhr herum. Eine Mischung aus Verwirrung und vielleicht auch Zorn stand ihm ins Gesicht geschrieben. Sie wartete darauf, dass er etwas sagte, doch als er das nicht tat, fasste sie sich ein Herz. »Kann ich Ihnen helfen?« Obwohl ihr Englisch sehr gut war, stotterte sie vor lauter Nervosität.
    »Ich suche ein Glas.«
    Sie nickte stumm und zeigte dann zögernd auf einen Schrank hinter ihm, froh darüber, dass sie die ersten Stunden in diesem Haushalt dazu genutzt hatte, sich mit der Küche vertraut zu machen und sie so einzuräumen, wie sie es für richtig hielt.
    »Bringst du mir bitte eins? Ich hole mir noch schnell eine Flasche Scotch.«
    Sie verharrte reglos wie eine Statue, die Augen niedergeschlagen, als er an ihr vorbeiging. Im Türrahmen wirkte er plötzlich riesig, und sie roch die Frisiercreme, die sie auf seiner Frisierkommode hatte liegen sehen. Sie wollte den Duft nicht einatmen, aber er war einfach unwiderstehlich – ein überaus männlicher Geruch. Ihr Vater verachtete solche Produkte zutiefst, und sie tadelte sich für ihre Zügellosigkeit, während sie sich beeilte, das passende Glas zu suchen. Jetzt hätte sie Gangais Hilfe gut gebrauchen können, aber er war nicht zugegen. Bryant gab ihm jede Woche zwei Abende frei, und dann w ar es ihre Aufgabe, für die Bedürfnisse ihrer Herrschaft zu sor gen. Gangai hatte ihr versichert, dass Mr. Bryant ihre Dienste he ute Abend nicht benötigen würde. Außerdem hatte er ihr de n Eindruck vermittelt, ihr Arbeitgeber sei ein ruhiger Mensch, der sehr zurückgezogen lebte. Dies war ihre erste Nacht in seinem Haus, und schon verlangte Bryant von ihr, dass sie ihn zu nachtschlafender Zeit bediente. Sie wählte ein Glas und hielt es hoch, um zu sehen, ob es auch sauber war, bevor sie es auf ein kleines Tablett stellte und damit ins Wohnzimmer eilte.
    Als sie den Raum barfuß und so leise wie möglich betrat, war Bryant nicht da. Kanakammal blieb in der Tür stehen und blickte sich vorsichtig um. Nein, er war nirgendwo zu sehen. Plötzlich hörte sie, dass er sich räusperte. Jetzt wusste sie, dass er auf der Veranda saß. Sie huschte durch die Tür nach draußen. Das Quietschen der Fliegengittertür verriet ihr Kommen, noch bevor das Klirren des Schmucks an ihren Fußgelenken es ankündigte.
    Bryant saß in einem Sessel an der Hauswand. Der Mond tauchte ihn in ein nüchternes, ein wenig geisterhaftes Licht. Kanakammal erstarrte. Sie konnte seinen halb nackten Oberkörper sehen. Seine Jacke lag über dem Verandageländer; seine Hosenträger hingen locker um seine Taille, die Fliege baumelte nachlässig um seinen Hals. Er

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