Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
überging. Iris stöhnte innerlich, als die letzten Häkchen an Ort und Stelle saßen, denn der Satin schnitt in ihre Taille ein.
Flora bewunderte sie einen Augenblick und bürstete unsichtbare Fussel und Fäden weg, dann fragte sie: »Also, mein Liebling, du erwartest doch nicht etwa deine Periode, oder?«
»Nein, Mum«, sagte Iris eilig.
Flora strahlte. »Gut! Dann muss ich mir wegen heute Nacht also keine Sorgen machen. Ich freue mich auf ein Enkelkind, sobald du mir eines schenken kannst.«
Iris starrte ihre Mutter verblüfft an.
»Beim Schleier werde ich Hilfe brauchen«, fuhr Flora jetzt fort. »Ich bin einfach zu klein dafür.«
Wie aufs Stichwort klopfte es an der Tür. Iris’ Schwestern standen davor. »Wir sind so weit«, sagte Geraldine. »Und deine beiden Blumenmädchen sind es auch.«
»Ach, kommt rein, kommt rein. Lasst mich sehen«, sagte Iris, und alle drängten sich mit Freudengeschrei ins Zimmer, als sie die Braut erblickten. »Ach, ihr seht ja alle bildhübsch aus in diesen hellrosa Kleidern, sie sind einfach zauberhaft.«
»Die Blumen sind unten«, sagte eine ihrer kleinen Cousinen. »Mein Bündel passt ganz genau zu meinem Heiligenschein.«
Alle lachten. »Bukett, Schätzchen«, korrigierte ihre Tante, doch dass ihr Diadem kein Heiligenschein war, verriet sie ihr nicht.
In einem anderen Haus hatten die männlichen Mitglieder der Hochzeitsgesellschaft schon vor Stunden ihre Vorbereitungen abgeschlossen.
»Du siehst gut aus, Rupert«, sagte Ned.
»Na ja, für jemanden mit nur einem Arm und einer Krücke geht es einigermaßen«, bemerkte er.
Ned bewunderte Rupert über alle Maßen. Er hatte inzwischen beschlossen, das Beste aus seinem Leben zu machen. Seiner Traurigkeit trat er mit seinem trockenen Humor entgegen. Ned fragte sich oft, ob er denselben Mut und dieselbe Zuversicht hätte aufbringen können. Deshalb erschien es ihm auch nur angemessen, dass er jetzt, da Jack nicht mehr in seinem Leben war, Rupert Walker zu seinem Trauzeugen gemacht hatte.
»Hast du ihn eingeladen?«, fragte Rupert.
Ned wusste, wer gemeint war. »Nein. Aber ich bin mir absolut sicher, dass er kommen wird.«
»Er ist verrückt.«
»Verrückt nach deiner Schwester, ja. Was, wie ich vermute, auch der Grund dafür ist, dass sie die Hochzeit so schnell hinter sich bringen will. Je früher er akzeptiert, dass sie meine Frau ist, desto schneller können wir alle zu einem normalen Leben zurückkehren.«
»Es ist jammerschade. Ihr beide wart so gute Freunde.«
»Das waren wir. Und jetzt sind wir fast genauso gut darin, Feinde zu sein.«
»Vielleicht werdet ihr eines Tages einen Weg finden, um …«
Ned schüttelte entschieden den Kopf und rückte seine schwarze Fliege gerade. »Nun komm«, sagte er dann. »Lass uns zur Kirche gehen.«
Als Jack zu der anglikanischen Kirche kam, sah er, wie die Menschen, darunter viele bekannte Gesichter, in ihrem Sonntagsstaat durch die Flügeltür in die Kirche strömen. Er bedauerte, dass Bell nicht unter den Gästen sein würde. In der kurzen Zeit bis zur Hochzeit hatte sie ihren Groll vermutlich nicht überwinden können. Das würde Ned sehr wehtun, aber nicht einmal seine geliebte Schwester würde jetzt noch verhindern können, dass er Iris heiratete.
Im frei zugänglichen Garten des Pfarrhauses stand Jack wartend unter einem großen Jackfruit-Baum. Er versuchte, sich einzureden, dass er erst, wenn er Iris in ihrem Hochzeitskleid erblickte, würde glauben können, dass er sie für immer verloren hatte. Er musste die Braut mit eigenen Augen sehen. Danach würde er sie für immer gehen lassen.
Die ersten Mitglieder der Hochzeitsgesellschaft trafen ein. Ned und die Walker-Brüder. Jack verzog das Gesicht und wich unwillkürlich ein paar Schritte weiter in den Schatten des Baumes zurück. Es war unübersehbar, dass Ned vor Vorfreude und Stolz geradezu platzte, als man ihm auf dem Weg in die Kirche immer wieder auf den Rücken klopfte und die Hand schüttelte. Jack hätte heute an der Seite seines Freundes sein, hätte seinen großen Tag mit ihm feiern sollen. Nun war da keine kleine Schwester, kein bester Freund. Ned hatte große Opfer gebracht. Aber schließlich hatte er auch die begehrteste Trophäe errungen, gegen die alles andere verblasste – Iris Walker.
Als Nächstes fuhren Flora und Iris’ Schwestern zusammen mit den Brautjungfern in einem der Autos des Minendirektors vor. Die Walker-Mädchen, zwei kleine Blumenkinder und ein noch kleinerer Page in kurzen Hosen
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