Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
und mit einer niedlichen Fliege stiegen aus dem nächsten Auto und blieben vor der Kirche stehen, wo sie sich die Kleider glattstrichen und die Kleinen immer wieder zur Ruhe mahnten.
Auf dem Weg hierher hatte Jack einen kurzen Blick in den Empfangssaal werfen können. Der Raum war mit Wimpeln in Rosa und Weiß geschmückt, außerdem waren als Glücksbringer überall bemalte Hufeisen aufgehängt. Eine anglo-indische Hochzeit war immer eine üppige, ausgelassene Angelegenheit, und diese Hochzeit versprach, dem gerecht zu werden. Es würde Unmengen zu essen geben, reichlich zu trinken und Musik bis spät in die Nacht, noch lange nachdem das glückliche Paar sich unter lautem Beifall zurückgezogen haben würde.
Der köstliche Duft von Essen war durch Oorgaum Hall gezogen, in der eine kleine Armee von Dienern am Werk war. Als einer der Männer, die die Tische deckten, ihn erblickt hatte, hatte Jack sich davongeschlichen. Er hatte sich wie ein höchst unwillkommener Außenseiter gefühlt, aber das war schließlich nichts Neues für ihn.
Die Ankunft von Harold Walkers Wagen riss ihn aus seinen Gedanken. Walker saß selbst am Steuer, und im Fond, eingebettet in eine weiße Wolke, thronte Iris. Bei ihrem Anblick begann Jacks Herz zu rasen. Als sie aus dem Auto ausstieg – bildschön in ihrem Hochzeitskleid –, konnte er nur noch stoßweise atmen. Er hatte geglaubt, er würde stark genug sein, um diesen Moment zu überstehen, aber jetzt fühlte er, wie ihn jeder Mut und jede Kraft verließen.
Er wollte laut schreien, wollte auf irgendjemanden einschlagen. Es war so unfair, dass die geliebte Frau einen Mann heiratete, den sie, wie er ganz genau wusste, nicht wirklich liebte.
Jack rief sich ins Gedächtnis, dass er es war, dem sich Iris geschenkt hatte.
»Aus zweiter Hand, Ned«, höhnte er innerlich, aber dieser Gedanke ließ ihn sich nur noch schlechter fühlen. In diesem Augenblick hasste er sich mehr als je zuvor. Er würde stets ein Dorn im Leben der beiden bleiben.
Er sah zu, wie die Brautjungfern den Rock der Braut aufschüttelten, sich an ihren Blumen zu schaffen machten und ihre Schleppe gerade zogen. Als Iris sich in diesem Moment umdrehte, konnte er sie ganz deutlich sehen.
Sein suchender Blick durchdrang ihren Schleier, hinter dem er eine dunkelhaarige Schönheit erblickte. Sie strahlte vor Glück, und das verletzte ihn weit mehr, als ihre Worte es je vermocht hatten. Die Grübchen in ihren Wangen waren tief, denn ihr Lächeln kam von Herzen. Er konnte sehen, wie sie sich bemühte, nicht in Freudentränen auszubrechen. Ihr Kinn bebte leicht, als ihr Vater ihr, sichtlich von Stolz erfüllt, den Arm anbot, um sie in die Kirche zu geleiten.
Jack hörte die ersten Töne des Hochzeitsmarsches erklingen.
Kurz bevor sich der Zug im Takt zur Musik in Bewegung setzte, sah er, wie Harold Walker die Hand seiner Tochter tätschelte, die in seiner Ellenbeuge lag, dann beugte er sich zu ihr hinab und küsste sie auf den Scheitel. Wenige Augenblicke später hatte das dunkle Innere der Kirche die beiden verschluckt.
Ein Schluchzen entwich Jacks Kehle. Er wusste, dass es jetzt vorbei war. Endgültig. Er wartete nicht, bis der Gottesdienst begann oder bis man das verheiratete Paar unter lautem Jubel mit Reis und Rosenblättern bewarf. Stattdessen rannte er. Er rannte wie ein Besessener den Funnel’s Hill hinauf, dann weiter den ganzen Weg bis nach Marikuppam, wo, wie er wusste, zwei Flaschen Trost auf ihn warteten, die ihm helfen würden, die Melodie des siegreichen Hochzeitsmarsches aus seinem Kopf zu verbannen.
Trotz des Zeitdrucks, unter welchem man die Feierlichkeiten hatte organisieren müssen, war der Hochzeitsempfang ein Fest gewesen, wie man es in KGF seit Jahren nicht mehr erlebt hatte. Die Frauen und die Freunde der Familie Walker hatten e in wahrlich fürstliches Mahl bereitet. Blattgold schimmerte au f den Tellern, auf denen sich der traditionelle festliche biryani -Reis – mehrere Lagen in hellem Orange, Gelb und Weiß – türmte. Eine Vielzahl von köstlichen Fleisch- und Gemüse-Cu rrys stan den zur Wahl. Den Gästen, die westliche Kost bevorzugten, servierte man wunderbare Braten und Beilagen.
Als man schließlich den vierstöckigen Früchtekuchen mit seiner dicken Schicht aus Marzipan und der ebenso dicken weißen Glasur anschnitt, waren die meisten Gäste schon so gesättigt, dass sie darum baten, sich erst einmal etwas Bewegung auf der mit Schneiderkreide bestreuten Tanzfläche verschaffen zu
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