Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
löste ihre Hände von seinem Körper, »macht es nicht leichter für mich.«
Ned konnte kaum noch klar denken. Er musste das irgendwie wiedergutmachen.
»Du gehst schon?«, fragte ihn einer seiner Kollegen.
»Ich dachte, ich sollte heute mit meiner Frau zu Hause zu Mittag essen.«
»So nennen die Frischverheirateten das heutzutage also?«
Ned spürte, dass er rot wurde. Er wusste, dass er lachen sollte, dass er endlich aufhören musste, sich alles, was in seinem Leben schiefgelaufen war, so zu Herzen zu nehmen.
Er verließ das zweistöckige Gebäude. Das wie alle Minenbauten ursprünglich mit den vertrauten roten Ziegelsteinen errichtete Elektrizitätswerk war erst vor Kurzem weiß gekalkt worden. So war es so gut wie von jedem Punkt in Oorgaum deutlich zu sehen. Das Haus, in dem Iris und er wohnten, hatte noch keinen Kalkanstrich erhalten und zeigte deshalb nach wie vor das gedeckte Grau des hiesigen Steins, aus dem auch die Mauer bestand, die den Garten umschloss. Ned liebte die hohen Bäume, die das Grundstück umgaben und ihm eine gewisse Privatsphäre verliehen, auch wenn man das mit roten Ziegeln gedeckte Dach durch die Baumkronen hindurchschimmern sah. Jetzt jedoch fühlte sich Ned plötzlich genauso unsicher und einsam wie damals in Rangun. Wieder quälte ihn der entsetzliche Gedanke, dass ihn alle, die er liebte, am Ende verließen. Sogar Bella hatte ihm den Rücken gekehrt, weil sie ihm ihre Adoptiveltern und ihr Leben in Madras vorzog. Die Stimme in seinem Kopf verhöhnte ihn weiter: Iris hat dich doch auch schon satt. Hörst du nicht, wie müde ihre Stimme klingt? Und übrigens: Du kannst doch zählen, oder etwa nicht? Bist du sicher, dass dieses Baby von dir ist?
Er versuchte, diese schrecklichen Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen. Stattdessen konzentrierte er sich einzig un d allein auf Iris. Sie war nur wenige Meter entfernt. Er würde sich bei ihr für sein Verhalten heute Morgen entschuldigen, und sie würde ihm sicher verzeihen. Er durfte seiner Frau nicht misstrauen. Sie hatte sich für ihn entschieden. Sie würde ihn nicht verlassen. Sein Leben war glücklich. Und wenn er diese Polizeiformalität erst einmal hinter sich hatte, würde er mit ihr irgendwohin fahren. Eine richtige Hochzeitsreise machen. Sie würden sich unter dem Sternenzelt lieben, würden sich einen Namen für ihr Kind überlegen und gemeinsam Pläne für die Zukunft schmieden.
Es gab nichts, weshalb er sich Sorgen machen musste. Absolut nichts!
Ned betrat das Haus durch die Vordertür, rief aber nicht nach Iris, da er sie überraschen wollte.
Iris klammerte sich wieder an Jack und vergrub ihren Kopf an seiner Brust. »Danke, dass du gekommen bist. Du ahnst nicht, wie sehr ich das gerade heute gebraucht habe …«
Sie spürte, wie Jack erstarrte, und drehte sich um. Ihr erstarben die Worte auf den Lippen, als sie Ned im Türrahmen stehen sah.
»Ned«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Es ist nicht so, wie du denkst!«
Jack seufzte. Er hatte nicht einmal die Arme um Iris gelegt, wusste aber, dass Ned nur sah, was er sehen wollte.
Neds hageres Gesicht wirkte plötzlich gespenstisch. Da war kein Zorn, nur eine tief verletzte, traurige Akzeptanz. »Ich dachte, ich sollte meine Mittagspause mit dir verbringen«, sagte er mit hohler Stimme zu Iris. »Aber es scheint, dass du bereits alles hast, was du brauchst.«
»Ned, nein!«, rief sie und ging auf ihn zu.
Aber Ned war schon verschwunden. Jack hörte die Tür ins Schloss fallen. Iris stieß ein ersticktes Schluchzen aus und sank zu Boden. Jack hob sie auf, hielt sie in den Armen und sah sich suchend nach etwas um, worauf er sie legen konnte. Sie weinte jetzt so heftig, dass sie kein einziges Wort mehr hervorbrachte. Jack trug sie ins Schlafzimmer und legte sie aufs Bett. Der Raum war, ganz im Gegensatz zu seinem eigenen Zuhause, klein und sparsam möbliert. Die beiden hatten anscheinend wirklich nicht viel Geld.
Die Liebe ist genug, hatte Ned einmal zu ihm gesagt. Das war lange, bevor Iris aus London zurückgekommen war, und Jack wusste, dass Ned tatsächlich davon überzeugt war. Jack war das nicht.
Er deckte die immer noch laut schluchzende Iris mit einem Umschlagtuch zu, das in der Nähe hing. Dann machte er sich auf die Suche nach dem chokra . Er gab ihm einige Anweisungen und warf ihm ein paar Annas zu. » Jaldi «, drängte er.
Dann setzte er sich auf die Treppe hinter dem Haus und wartete. Etwa eine halbe Stunde später traf Kanakammal ein. Er sah sie mit
Weitere Kostenlose Bücher