Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
Tür sprang auf, und Bella kam mit zwei Mitgliedern der Crew herein, die angesichts des Geruchs sofort zurückwichen. »Was zum Teufel …«
Ned stand auf. »Er sagt, es ist die Cholera.«
»Cholera! Dann sofort raus hier. Bist du dir sicher?«
Robbie begann zu weinen. »Ned, hast du die Adresse notiert?«
»Ich werde sie nicht vergessen, Robbie. Ich habe sie mir genauso fest eingeprägt wie du.«
Einer der Matrosen zerrte Ned weg, dann zeigte er auf Bella und brüllte seinem stämmigen Begleiter zu: »Schaff das Kind hier raus. Und dann hol den Schiffsarzt. Wir müssen auch den Kapitän informieren.«
»Was ist mit Robbie?«, schrie Bella, als man sie wegzerrte.
Völlig hilflos sah Ned den Matrosen an.
»Tut mir leid, mein Junge. Aber wir dürfen auf keinen Fall ein Risiko eingehen. Schau dir doch an, wie er aussieht.«
Robbie hatte wieder begonnen, sich zu erbrechen, und sich dabei noch mehr beschmutzt.
»Es dauert keine Stunde mehr, dann ist er tot. Ich habe das schon oft gesehen«, sagte der Seemann mit grimmiger Miene. »Also, das eben war deine Schwester?«
Ned war so verzweifelt, dass er nur stumm nicken konnte.
»Gut, und dein Name ist Ned?«
»Edward Sinclair. Meine Schwester heißt Arabella. Das hier ist Robert James.«
»In Ordnung, Junge. Du und deine Schwester, ihr müsst sofort zum Arzt. Passt auf, dass ihr unterwegs nichts anfasst. Kommt. Das hier ist wirklich gefährlich.« Er blickte noch ein mal kurz zurück. »Hey, Robbie, mein Junge, der Doktor komm t gleich. Halte durch.«
Robbie gelang es mit größter Mühe, den Kopf zu wenden. Sein einst gelbbrauner Teint war jetzt blassgrau, seine Lippen waren stark geschwollen. »Leb wohl, Ned.«
»Robbie …« Verräterische Tränen liefen Ned über die Wangen.
»Es tut mir leid, dass wir nicht mehr zusammen nach Schottland fahren können«, flüsterte er. »Weine nicht, Ned. Ich war niemals glücklicher als in den letzten beiden Tagen mit euch.«
»Es tut mir leid«, sagte Ned und entzog dabei dem Matrosen, der ihn mit sanftem Nachdruck aus der Kabine schieben wollte, seinen Arm. »Es tut mir unendlich leid, Robbie.«
»Bella ist jetzt in Sicherheit.« Robbie sank völlig ermattet zurück, dann drehte er sich zur Seite. Ein krampfartiger Schmerz hatte ihn gepackt, und ein Schwall von Flüssigkeit schoss aus seinem Mund heraus.
Diesmal gelang es dem Matrosen, Ned aus der Kabine zu schieben. »Der Schlüssel?«
»Wie bitte?« Ned war sich nicht bewusst, dass er den Kabinenschlüssel in der Hand hielt.
Der Mann starrte den Schlüssel an und überlegte offensichtlich, ob er ihn einfach an sich nehmen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. »Schließ die Tür ab, Junge, und sprich zum Abschied ein stilles Gebet für deinen Freund. Wie ich schon sagte, er wird die nächste Stunde nicht mehr erleben.«
Robbie wurde von Dr. Grenfell, dem Schiffsarzt, für tot erklärt, als die meisten Passagiere gerade ihr Mittagessen genossen. Man hatte die Sinclairs in eine andere Kabine gebracht, wo Bella unter Aufsicht einer Krankenschwester ein Bad nahm und der schottische Seemann dafür Sorge trug, dass Ned sich ebenfalls von Kopf bis Fuß mit einem flüssigen Desinfektionsmittel und dann gründlich mit hellroter Karbolseife wusch. Die Seife brannte wie Feuer auf seiner Haut. Ihre Kleidungsstücke hatte man, zusammen mit ihren wenigen anderen verbliebenen Habseligkeiten, einfach über Bord geworfen.
Somit war ihnen auch der letzte Rest des Lebens, das sie vor Rangun geführt hatten, genommen worden. Und nun hatte sie auch noch der treue Robbie verlassen, wie Dr. Grenfell Ned so schonend wie möglich beibrachte, als dieser vor ihm im Sanitätsraum saß, die Haare noch immer nass vom Desinfektionsbad.
»Die Cholera rafft ihre Opfer auf schmerzhafte, gnädigerweise aber auch auf schnelle Art und Weise dahin«, sagte der Doktor. Seine dunkelblauen Augen blickten ihn voller Mitgefühl an. »Ich nehme an, Robbie war Anglo-Inder?«
»Er hat seinen Vater nie kennengelernt, doch er war sich sicher, dass er Engländer war. Seine Mutter war Bengalin«, sagte Ned.
Dr. Grenfell schenkte ihm ein Lächeln, das seinen Augen einen freundlichen Glanz verlieh. Ned schätzte den Schiffsarzt etwas älter als seinen Vater. Vielleicht Anfang vierzig. »Meine Eltern haben dort gelebt«, erklärte er nun. »Sie waren beide Missionare.«
Ned wusste, dass der Arzt lediglich versuchte, ihn zum Weiterreden zu veranlassen, damit er so schnell wie möglich über den Schock
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