Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
dort Verwandte.«
»Du hast doch nicht etwa vor, Bangalore gleich wieder zu verlassen, oder?«, fragte Walker.
»Ich bin mir selbst noch nicht im Klaren darüber, was ich tun werde.«
»Dr. Grenfell hat mir geschrieben, dass du ein gelernter Elektriker bist.«
»Das stimmt. Ich hoffe, meine Ausbildung hilft mir dabei, in Madras Arbeit zu finden und …«
»Madras? Aber nein. Ich würde dir vielmehr raten, hierzubleiben, mein Sohn. Bangalore ist die Stadt, in der sich etwas rührt. Hier braucht man qualifizierte junge Männer wie dich. Aber warum zieht du nicht gleich die KGF in Erwägung?«
Ned runzelte die Stirn. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, was das ist.«
»Die Kolar Gold Fields mit der gleichnamigen Gemeinde. Die Gegend erlebt gerade einen Aufschwung, mein Junge. Einen unglaublichen Aufschwung! Das Gold quillt regelrecht aus den Schächten. Auch ich selbst werde übrigens bald dorthin versetzt.«
»Wirklich?«
»Ja! Ende Juni soll ich meinen neuen Posten antreten. Ich kann mich dort für dich schon einmal etwas umhören, wenn du Interesse hast.«
Ned wirkte noch immer unschlüssig. »Ich muss auch an Bella denken – überlegen, was das Beste für sie ist.«
»Na, nimm sie doch einfach mit.«
Neds Stirnrunzeln vertiefte sich. »Sie ist in Madras sehr glücklich. Die drei bilden dort eine richtige Familie. Leider, wie ich fast schon sagen muss.«
Flora Walker beugte sich zu ihm herüber und berührte seine Wange so sanft, wie es nur eine Mutter kann. Ned spürte eine Woge der Trauer in sich aufsteigen, weil seine Mutter nicht mehr am Leben war. »Ach, mein Junge, wie traurig du doch bist. Ich verstehe, dass du deine kleine Schwester bei dir haben willst. Nun, wie auch immer du dich entscheidest: Ihr seid uns beide höchst willkommen, und wir werden alles tun, um euch zu helfen.«
Walker zündete sich eine Pfeife an, und der süße Geruch des Tabaks erfüllte schon bald den ganzen Raum. »Ich bin der Meinung, du solltest dir KGF zumindest einmal ansehen, bevor du eine endgültige Entscheidung triffst, Ned. Bekommen wir noch Kaffee, meine Liebe?«
Sie warf ihm wieder diesen liebevoll-strengen Blick zu. »Aber natürlich, mein Schatz.«
»Arbeiten alle Ihre Kinder auf den Goldfeldern?«
»Fast alle«, erwiderte Walker. »Die beiden Jungs haben in der einen oder anderen Form mit den Minen zu tun. Unsere Tochter Christine arbeitet oben im Norden. Sie ist Krankenschwester. Und dann ist da natürlich noch Iris. Unsere Mittlere, Florence, ist mit einem Offizier verheiratet und deshalb viel unterwegs. Sie hat uns geschrieben, dass sie im September wieder im Süden sein wird. Und dann ist da noch Geraldine. Wahrscheinlich wird sie bald jemanden aus der Gegend heiraten. Wir hoffen, dass sie sich mit ihrem Mann in Bangalore niederlassen wird.«
»Das freut mich sehr für Sie«, erwiderte Ned, und sogar er selbst merkte, dass seine Worte ein wenig neidisch klangen.
»Ned«, begann Flora so zartfühlend, dass er sich räuspern und darauf konzentrieren musste, sich nicht von seinen Gefühlen überwältigen zu lassen. »Robbie hat uns während der kurzen Zeit, die wir miteinander verbringen durften, sehr für sich eingenommen. Die Nachricht, die du uns überbracht hast, macht mich so traurig, dass ich es kaum ertragen kann, auch nur an diesen reizenden Jungen zu denken. Es ist offensichtlich, dass ihr gute Freunde gewesen seid. Dieses Kind hatte etwas ganz Besonderes. Robbie schien eine Art sechsten Sinn zu haben. Nein, Harold, das lag nicht einfach nur daran, dass er Anglo-Inder war. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass er vom Himmel auserwählt war. Und Robbie hat entschieden, dass Ned und seine Schwester eine besondere Rolle in seinem Leben spielen sollten.« Flora sah Ned jetzt mit ernster Miene an. »Du bist sowohl in diesem Haus als auch in unserem Leben willkommen, junger Mann. Bis du auf eigenen Füßen stehen kannst, schlage ich vor, fühlst du dich als Teil dieser Familie. Ich erkenne, dass du ein Mensch mit hohen moralischen Grundsätzen bist, Ned. Ich mag dich, und ich weiß, dass unsere Kinder das auch so empfinden werden.«
Der Kloß in Neds Hals wurde immer größer. Er räusperte sich erneut. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
Flora schlug mit der flachen Hand leicht auf den Tisch. »Da gibt es nichts mehr zu sagen. Bis du eine Bleibe gefunden hast, zumindest aber, bis wir von hier fortziehen müssen, wirst du bei uns bleiben.«
»Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar«,
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