Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
stammelte Ned, überwältigt von der unglaublichen Gastlichkeit dieser beiden Menschen.
»Dann wäre das also geklärt«, sagte Flora.
Ned lächelte sie beide an. »Vielen Dank. Ich hatte eigentlich nur vor, Robbies letzten Wunsch zu erfüllen und Sie kennenzulernen. Das war sehr wichtig für ihn.«
»Ach, dieser arme Junge«, sagte Flora. »Vermutlich müssen wir dankbar sein, dass weder du noch deine Schwester sich mit der Cholera angesteckt haben.«
»Genug der düsteren Gedanken«, sagte Harold und blies den Rauch aus seinem Mundwinkel. »Also, mein Junge. Lass uns in den Club gehen. Ich werde dich unserem Kreis in Bangalore vorstellen.«
»Club?«
»Nun komm schon, Junge. Nein, lass das alles einfach stehen. Flora sorgt schon dafür, dass hier aufgeräumt wird. Beeil dich, wir sollten uns so schnell wie möglich auf die Socken machen.«
Ned ging um den Tisch herum und gab Flora einen Kuss auf die Wange. »Vielen Dank für alles.«
»Wenn ihr zurückkommt, wird dein Zimmer fertig sein«, sagte sie und umarmte ihn. »Willkommen in Bangalore.«
Der Rikschafahrer setzte sie vor einem prächtigen einstöckigen Kolonialgebäude aus Stein ab, das von gepflegten Rasenflächen umgeben war. Die breite Veranda war beleuchtet. Ned sah viele Gäste – fast ausnahmslos Männer –, die sich leise miteinander unterhielten und etwas tranken, während Inder in gestärkten weißen Anzügen und prächtigen roten Turbanen in ihrer Nähe standen, um ihnen gegebenenfalls zu Diensten zu sein.
Harold bezahlte den Rikschamann und führte Ned durch das große Eingangstor. »Das ist einer der bevorzugten Clubs der anglo-indischen Gemeinde, die in dieser Stadt sehr groß ist. Ich sollte es wissen, ich habe schließlich sechs eigene Kinder beigesteuert.«
»Haben Sie Mrs. Walker hier kennengelernt?«
»Ja. Ich kam damals mit der Ostindiengesellschaft hierher, und sie war so ein reizendes junges Ding. Und so schüchtern. Heute kann man sich das kaum noch vorstellen, nicht wahr?«
Ned schüttelte den Kopf und erwiderte das Lächeln des Doktors.
»Sie ist eine gute Frau, und ich liebe sie heute noch wie am ersten Tag. Alle unsere Kinder haben die Einrichtungen dieses Clubs genossen. Ich persönlich ziehe zwar noch immer den Bangalore United Services Club vor, aber meine Familie hält ihn für ein bisschen spießig, außerdem sind dort Kinder nicht besonders willkommen. Mit so vielen Sprösslingen war es für uns deshalb immer einfacher, hierherzugehen. Abgesehen davon ist das Bowring Institute, so heißt der Club im Übrigen, traditionell der anglo-indischen Gemeinde sehr zugetan. Auch Flora fühlt sich hier ausgesprochen wohl.«
Ned kam das Ganze wie ein Traum vor. »Bin ich denn überhaupt passend angezogen?«
Walker lachte. »Du siehst prima aus, mein Sohn. Du wärst sogar für den BUS -Club gut genug gekleidet!«
Sie stiegen die Treppe zur Veranda hinauf. Die ruhige, heitere Atmosphäre, die dort herrschte, wurde nur vom Summen der Deckenventilatoren und dem gelegentlichen lauten Lachen einer der Gäste akzentuiert.
»Setzen wir uns dort auf eine der Bänke. Im Haus können sich die Leute in den Billardzimmern amüsieren. Es gibt auch e ine fantastische Bibliothek und ein ruhiges Lesezimmer, ab er um diese Einrichtungen benutzen zu dürfen, muss man von einem Mitglied empfohlen werden.« Im Hintergrund setzte leise Musik ein. »An den Wochenenden gibt es Bälle, Tanzveranstaltungen und viele andere Vergnügungen. Junge Leute wie du können hier viel Spaß haben. Iris ärgert sich ziemlich darüber, dass sie all die Gelegenheiten verpasst, um ihre Partykleider auszuführen.«
»Hat sie da, wo sie jetzt ist, keine Gelegenheit dazu?«
»Sie ist oben in den Bergen, mein Sohn. Dort gibt es absolut nichts. Aus diesem Grund ist sie ja dorthin gegangen. Die Waisenkinder müssen mit so wenig auskommen. Iris hat mehrere Kisten mit Spielsachen und Kleidung mitgenommen. Ich bin froh, dass sie diese Berufung spürt. Sie war schon immer die Talentierteste von allen, ist bei allem, was sie tut, erfolgreich und erreicht immer das, was sie erreichen will.«
»Und Ihre anderen Kinder?«
»Sind allesamt brave, aufrechte Bürger, wie ich mit Stolz behaupten kann.« Er seufzte tief. »Ihre Mutter vermisst sie sehr. Ihr wäre es am liebsten, wenn wir alle zusammen in einem riesigen Anwesen leben würden.« Er stand auf und klopfte Ned auf die Schulter. »Ich werde uns eintragen. Du kannst inzwischen schon die Getränke für uns bestellen.
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