Herzen aus Stein (German Edition)
aufhalten musste. Noir konnte Gedanken auffangen, aber nur von Menschen, nicht von anderen Wesen. Leider hatte sie denjenigen, zu dem diese wirklich interessante Stimme gehörte und der sehr viel über sie nachdachte, noch nie gesehen. Die Stimme erzählte ihr, wie hübsch er sie fand, wie sehr er sich nach ihr sehnte, was er alles mit ihr a n stellen würde. Lustvolle Dinge, liebevolle Spiele. Das hatte sie erregt. Mittlerweile sehnte sie sich danach, den Mann, der nur als Stimme in ihrem Kopf existierte, zu begegnen. Wie würde er aussehen? Wie alt war er? Würde er wirklich all das mit ihr tun, wenn sie sich gege n überstanden? Oder wurde sie langsam verrückt, weil sie in die Köpfe anderer eindringen konnte und täglich von vielen Gedanken umg e ben war? Weil sie sich nach einer Umarmung sehnte, ebenso nach Trost, Geborgenheit und Zärtlichkeiten, sogar nach Sex? Darum liebte sie die Ruhe und Abgeschiedenheit des Klosters, hier verfiel sie nicht der Versuchung und konnte ihren Geist erholen. Einen Mann brauchte sie nicht, und wenn , dann nur für das einmalige Ve r gnügen. Sie konnte sich auch selbst Lust verschaffen.
Belüg dich doch nicht, dachte sie. Sie wusste sehr wohl, dass sie sich nicht ihre Sorgen erzählen, sich nicht bei sich selbst anlehnen oder sich einfach fallen lassen konnte.
Magnus kannte ihre Fähigkeit, Gedanken aufzufangen, aber nicht nur deshalb konnte sie kaum etwas von ihm „ hören “ , denn ihr Freund war ein Meister der Verstellung. Er beherrschte die mag i schen Künste zur Perfektion und verschloss sein Inneres stets vor der Öffentlichkeit. Dennoch spürte sie seine Sorge.
Für einen Moment betrachtete sie den großen Mann genauer, als er von der Hebebühne herunterstieg und einen Arm um ihre Schultern legte, während sie zum Bug der Maschine gingen. Magnus war wie immer elegant gekleidet, in dunkle Hosen und ein hellblaues Hemd; nur sein braunes Haar wirbelte wegen der laufenden Turbinen durcheinander. Es zeigte die ersten silbernen Strähnen, obwohl Magnus lediglich elf Jahre älter war als sie. Ein Mann mit Erfahrung. Er besaß ein männliches, markantes Gesicht und strahlte eine gewi s se Dominanz aus. Außerdem benutzte er ein angenehmes Afte r shave, was eine zarte Sehnsucht nach Nähe zu einem anderen Me n schen in ihr auslöste. Die Stimme und ihre Fantasien kamen Noir wieder in den Sinn. Zu lange lebte sie schon allein.
Würde sie ihr Leben nicht der Dämonenjagd und der Suche nach ihrem Bruder widmen, fände sie vielleicht Gefallen an Magnus – wenn er nicht schon glücklich verheiratet wäre, mit seiner zweiten Frau. Möglich, dass Noir sonst längst mit ihm eine schnelle Nummer geschoben hätte. Natürlich nicht hier und jetzt, wo sie es nicht mehr erwarten konnte, endlich zu starten. Aber trotz ihres Lebens, das auf Rache und Jagd ausgerichtet war, steckte eine Frau in ihrem Körper.
„ Das wollte ich dir geben “ , sagte Magnus, als sie vor der Treppe hielten, die in das Flugzeug führte. Aus seiner Hemdtasche zog er ein flaches Handy.
„ Ein Smartphone? “ , fragte Noir überrascht. „ Ich dachte eher an ein magisches Spielzeug. “
Magnus schmunzelte. „ In der heutigen Zeit muss man sich die Technik zunutze machen. “
Er erklärte ihr schnell, wie es funktionierte. In dem Telefon war ein Navigationsgerät eingebaut. Spezielle Satelliten zeigten Noir, wo sich auf der Erde Dämonen aufhielten. Diese strahlten eine andere Energiesignatur ab als Menschen und andere Wesen und wurden auf dem Display als rote Punkte dargestellt.
„ So weißt du immer, wen du vor dir hast “ , bemerkte Magnus, „ doch die Satellitenkameras erfassen leider keine Geschöpfe, die kleiner sind als fünfzig Zentimeter, oder was sich in geschlossenen Räumen abspielt. Sie können nur Energiewellen scannen, die für sie im sichtbaren Bereich liegen. Es kann daher passieren, dass es bei starker Bewölkung auch nicht richtig funktioniert, aber daran arbeite ich noch. “ Magnus drückte ihr das Handy in die Hand.
„ Das klingt interessant “ , murmelte sie. „ Das musst du mir genauer erklären. “
Magnus lachte. „ Okay, wie soll ich dir das ganz einfach verstän d lich machen? “ Er schien einen Moment nachzudenken, bevor er sagte: „ Weißt du, was Infrarot-Strahlung ist? “
„ So ungefähr. “
„ An den Satelliten sind thermische Detektoren angebracht, ähnlich Wärmebildkameras, die die verschiedenen Strahlungen vom Wel t raum aus messen können. Die
Weitere Kostenlose Bücher