Herzen im Feuer
Gastgeberin in das Zimmer, das den Gästen als Speisesaal diente. Ein langgezogener Tisch, an dem dreißig bis vierzig Gäste Platz fanden, erstreckte sich quer durch den ganzen Raum, mit je einer langen Bank auf beiden Seiten. Auf dem Tisch standen Stapel von Tellern, Tassen und Schalen sowie ein Kasten mit einfachem Besteck.
Ein Tablett mit einer Kaffeekanne aus Ton, zwei Tassen und Unter- tassen sowie einer Zuckerdose war an einem Ende des Tisches abgestellt worden, daneben ein Teller mit ein paar Kuchenstückchen.
Mara setzte sich. Langsam wurde sie neugierig, denn Jenny hatte sie offensichtlich erwartet.
»Ich wollte Sie abfangen, wenn Sie zurückkommen«, beantwortete Jenny Maras unausgesprochene Frage, »damit wir uns einmal unterhal-
ten können. Mein Jüngster schläft gerade, und die beiden anderen sind ja aus dem Haus, deshalb habe ich endlich einmal ein paar Minuten für mich.«
»Über was unterhalten?« fragte Mara und sah zu, wie Jenny den Kaffee einschenkte.
Jenny schaute tief in ihre Tasse. Das Thema war ihr sichtlich unange- nehm. »Wissen Sie, als ich eben gesagt habe, daß ich Sie lieber Miss O'Flynn nennen würde, dann nicht, weil Sie eine Schauspielerin sind und im Eldorado arbeiten.« Jetzt sah sie Mara offen in die Augen.
Maras Blick wurde wärmer, als sie Jennys unbeholfene Erklärung hörte.
»Als Sie hierherkamen und ein Zimmer wollten«, sagte Jenny nervös, »da hatte ich keine besonders gute Meinung von Ihnen.«
»Das habe ich mir schon gedacht«, kommentierte Mara trocken und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee.
Jenny begutachtete ausgiebig Maras elegante Kleidung. Das dunkel- braune Samtjäckchen wurde von teuren Perlmuttknöpfen zusammen- gehalten, Kragen und Ärmel waren mit Spitzen verziert. Dann schaute sie mit abfälliger Miene an ihrem eigenen schlichten Wollkleid und der weißen Schürze herab. »Wahrscheinlich war ich einfach eifersüchtig. Sie waren so hübsch und so gut angezogen, daß ich Sie einfach nicht leiden konnte. Ich habe gedacht, daß Sie eine Menge Freunde haben müssen und bestimmt ziemlich hochnäsig sind. Aber noch nie hat Sie jemand besucht. Und ich habe Sie noch nie mit einem Mann gesehen - außer heute«, korrigierte sich Jenny, als ihr das blonde Gesicht wieder einfiel, das kurz zuvor zur Tür hereingestreckt worden war.
»Der sanfte Riese«, lachte Mara, als sie ihren Retter im Geist vor sich sah. »Er war mir behilflich, indem er zwei liebestolle Säufer aus meinem Weg räumte. Er sagt, man nennt ihn den Schweden.«
Jenny lächelte verständnisvoll. »Selbst wenn ich mit meinen drei Rotschöpfen durch die Straßen gehe, bekomme ich an jeder Ecke einen Heiratsantrag. Ich habe mich in Ihnen getäuscht«, gestand sie offen, »und ich hoffe, Sie können mir vergeben. Ich weiß, daß Sie ein guter Mensch sind, das sehe ich daran, wie Sie den Jungen behandeln. Sie lieben ihn sehr, und irgendwie muß man ja schließlich überleben. Könnten Sie und ich nicht Freundinnen werden?«
»Das würde mir gut gefallen, Jenny«, antwortete Mara, »aber erwar- ten Sie nicht zuviel von mir, und machen Sie mich nicht zur Heiligen.
Ich bin nicht immer nur nett, und ich habe eine Menge Fehler ge- macht«, erklärte sie abwehrend.
»Jeder Mensch hat Dinge erlebt, die er am liebsten vergessen würde«, tröstete Jenny sie mit schmerzerfülltem Blick.
»Mein Bruder sagt in solchen Fällen immer: >Mir sitzt der Teufel im Genick, ich kann nichts dafür.< Und außerdem sind wir Iren.« Mara lachte.
»Diese Entschuldigung kann ich leider nicht vorbringen. Aber ich hätte damals bestimmt eine gute Irin abgegeben, als John mir erklärte, daß wir nach Kalifornien ziehen würden«, vertraute ihr Jenny mit einem schüchternen Lachen an. »Er hatte einfach die Farm verkauft. Ich war völlig von den Socken. Mir gefiel es gut in Ohio, und seine Verwandten lebten ganz in der Nähe. Es ging uns gar nicht schlecht, fand ich. Aber Johnny wurde irgendwie rastlos. Er wollte mehr aus seinem Leben machen. Reich wären wir mit der Farm nie geworden. Aber wir waren glücklich und hatten immer genug zum Leben.«
»Jetzt sind Sie Witwe, nicht wahr?« fragte Mara schüchtern.
Jenny nickte heftig, und zahllose Löckchen fielen ihr in die Stirn. »Ja, seit ungefähr einem Jahr. Seltsam, wie schnell man jedes Zeitgefühl verliert, wenn man sich nichts mehr von der Zukunft erwartet. Man lebt einfach so vor sich hin«, überlegte sie traurig. Dann nahm sie einen Schluck Kaffee und fuhr
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