Herzen im Feuer
Sachen zusammenpackten.\Natürlich hatte man angenom- men, es würde ihr gehören. Jamie hatte fast einen Entsetzensschrei ausgestoßen, denn sie hatte das Kleid zum letztenmal gesehen, als sie es an jenem schicksalsträchtigen Tag vor so vielen Jahren seinem Besit- zer zurückbrachte. Als sie erfuhr, wer Nicholas wirklich war, hatte sie sich auf die Bettkante sinken lassen und sprachlos den Kopf geschüt- telt.
Mara hatte es angezogen, weil sie einmal etwas anderes tragen wollte als die ewig gleichen Kleider, in denen sie arbeitete. Und auch, um sich zu beweisen, daß sie Nicholas vergessen konnte, daß ihr die Erinnerungen, die sie mit diesem Kleid verband, nichts mehr bedeute- ten. Aber sie hatte sich geirrt. Der weiche Samt auf ihrer Haut weckte in ihr die Erinnerung an Nicholas' Hände, die sie gestreichelt hatten - und die sie so grausam gepackt hatten, als er erfuhr, wer sie wirklich war.
»Nein danke, Jacques«, antwortete Mara zuckersüß. »So verzwei- felt bin ich noch nicht, und Ihre petite bin ich auch nicht.«
Jacques' Lächeln verzerrte sich zu einem widerwärtigen Feixen. »Eines Tages wirst du mich wollen, Mara, und dann wirst du um mich betteln müssen. Aber bis dahin, ma petite«, erklärte er selbstbewußt, »wirst du deine Arbeit tun, oder du fliegst.«
»Ich tue meine Arbeit gut, Jacques«, widersprach ihm Mara ange-
spannt. »Und außerdem würde es Ihnen wahrscheinlich nicht gefallen, wenn ich für die Konkurrenz arbeitete, oder? Und Ihnen das Geschäft vermiese. Denn das würde ich ganz bestimmt.«
Jacques starrte sie haßerfüllt an. Sie schenkte ihm ein bezauberndes, aber herablassendes Lächeln. »Niemand würde eine Frau mit einem Narbengesicht anstellen... ma petite!« Jacques strich sacht über Maras alabasterfarbene Wange. »Ich verstehe nicht, warum du hier unten deine Zeit vertust, wo du oben mit einem Kunden in einer Stunde fünfhundert Dollar verdienen könntest. Es ist töricht von dir, ma petite, daß du viel Wert darauf legst, mit wem du dein Bett teilst.«
»Ich bin keine Kurtisane, Jacques«, erklärte ihm Mara kalt und blickte tapfer in sein aufgeschwemmtes Gesicht. Jetzt hatte sie Angst vor dem Franzosen. Bis jetzt hatte sie alle seine Avancen abwehren können, denn er wußte, wieviel sie wert war. Aber im Lauf der Zeit war er reicher und kühner geworden. Mara ahnte, daß sie ihn bald nicht mehr würde abwimmeln können.
»Kommen Sie, ich möchte, daß Sie an den Farotisch gehen. Ein paar Herren wünschen, daß Sie die Karten geben«, befahl Jacques und gab einer anderen Frau ein Zeichen, Maras Platz am Roulettetisch zu über- nehmen.
Mara folgte ihrem Arbeitgeber. Sie spürte, daß alle Augen auf ihrem enthüllenden roten Kleid ruhten.
Wenig später setzte sie sich an den mit grünem Filz bespannten Tisch und bedankte sich mit einem Lächeln bei den Herren ihr gegenüber für das Glas Champagner, das neben ihrem linken Arm abgestellt wurde. Sie legte alle Pik-Karten eines Spieles in Folge aufgedeckt auf den Tisch und wartete, bis die Spieler ihren Einsatz auf einer Karte ihrer Wahl plaziert hatten. Dann stellte sie den automatischen Kartengeber vor sich hin und zog jeweils zwei Karten heraus, die über Gewinn oder Verlust entschieden. Hatte ein Mann auf die Pik-Acht gesetzt, und die Herz-Acht erschien als erste Karte, hatte er verloren. Tauchte keine Acht in dem Kartenpaar auf, blieb der Einsatz bestehen. Wenn aber die zweite Karte eine Acht war, hatte er gewonnen, und die Bank mußte zahlen.
Mara arbeitete schon über zwei Stunden als Kartengeberin und wurde langsam müde. Der Lärm und die schlechte Luft machten ihr zu schaffen. Ein paar Kunden waren es leid, ständig zu verlieren, und hatten bereits den Tisch gewechselt. Mara machte eine kurze Pause,
während der sie einen Schluck Champagner nahm und die freien Plätze von neuen Spielern besetzt wurden. Sie schaute ihren neuen Kunden nicht ins Gesicht, denn nach einiger Zeit konnte sie eines vom anderen nicht mehr unterscheiden.
»Messieurs, faites vos jeux«, verkündete Mara und füllte den auto- matischen Kartengeber wieder auf. »Vielleicht 'aben Sie 'eute Nacht Glück, vielleicht gewinnt Monsieur 'eute ein Vermögen, versuchen Sie Ihr bonheur!«
Mara schaute mit einem animierenden Lächeln zu jenem Spieler auf, der eben Platz genommen hatte. Ihr Lächeln erstarb, als sie in zwei kalte grüne Augen blickte, die sie nur allzugut kannte.
»Na so was, ich wußte gar nicht, daß du auch Französin bist«,
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