Herzen im Feuer
endlich die wahre Mara O'Flynn kennen.«
Mara schnaubte wutentbrannt. »Laß mich in Ruhe, Nicholas. Hast du dich nicht schon genug gerächt?«
Nicholas betrachtete Maras feingeschnittenes Gesicht. Obwohl sie schmaler geworden war, war sie schöner denn je. Sie schaute ihn zornig an, und ihre Unterlippe zitterte leicht. »Vielleicht möchte ich noch mehr von dir als deine Jungfernschaft«, äußerte er versonnen. Seine grünen Augen waren kalt und hart wie Smaragde.
Maras Hand schloß sich um den schlanken Kristallstiel ihres Cham- pagnerglases. Mit einer einzigen Bewegung schüttete sie den gesamten Inhalt Nicholas ins Gesicht. Wie betäubt sah sie den Champagner auf sein weißes Hemd tropfen, wo sich nasse Flecken ausbreiteten. Sie erhob sich schwankend, während er ein Taschentuch zückte und sich den Champagner aus dem Gesicht wischte, ohne seinen Blick von ihr zu nehmen.
»Du enttäuschst mich nie, Mara«, sagte er.
Mara hörte ihn bereits nicht mehr. Sie hatte sich umgedreht und bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge. Doch gerade als sie den Hinterausgang erreicht hatte, schloß sich eine Hand fest um ihren Arm. Als sich Mara umdrehte, sah sie fast erleichtert, daß Jacques d'Arcy sie aufgehalten hatte.
»Mon Dieu!« rief er aus und zog sie in den dunklen Hausgang. »Ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich sah, wie Sie Chantale den Champagner ins Gesicht schütteten. Ich würde mein Leben darauf wetten, daß ihm das noch nie passiert ist, oder daß der Betreffende es nicht überlebt hat.«
»Sie kennen Nicholas?« fragte Mara dumpf.
»Nicholas also?« Jacques Augen verengten sich. Er musterte ausgie-
big ihr bleiches, angespanntes Gesicht. »Ich würde gern mehr über Ihre Verbindung zu diesem Mann hören, den Sie offensichtlich nicht leiden können und den Sie sogar fürchten. Aber um Ihre Frage zu beantwor- ten«, fuhr Jacques mit einem bedauernden Blick fort, »oui. Jeder in New Orleans kennt Nicholas de Montaigne-Chantale. Als ich ihn vor einigen Jahren in Paris sah, hatte er das de Montaigne abgelegt. Er gehört zu einer der reichsten und vornehmsten Familien in Louisiana. Oder gehörte, bevor man ihn aus der Stadt warf. Die Plantage der Montaigne-Chantales, Beaumarais, war im ganzen Staat berühmt.«
»Nicholas erzählte mir, daß er New Orleans wegen eines Duells verlassen mußte«, sagte Mara.
Jacques lächelte. »Nun, es war kein gewöhnliches Duell, ma chérie.« Er senkte seine Stimme vertraulich. »Er tötete seinen Bruder François, den zukünftigen Erben des Montaigne-Chantale-Vermögens und Ver- lobten der wunderschönen Amaryllis Sandonet. Doch wie zu hören war, liebte sie in Wahrheit Nicholas. Man munkelte, die bezaubernde Amaryllis sei Nicholas' Geliebte gewesen, bevor ihr Vater sie mit dem Erben von Beaumarais verlobte. Angeblich wollte Amaryllis Beauma- rais und Nicholas, und angeblich setzten die beiden ihre Affäre fort - natürlich im geheimen.« Jacques zwinkerte. »Und eines Tages vor der Heirat duellierten sich die beiden Brüder. Worüber sie sich stritten, wurde nie publik. Nicholas behauptete immer, sie hätten nur geübt. Aber wie hätte er leichter einen lästigen Rivalen loswerden können? Nicholas' Vater verbannte seinen Sohn von Beaumarais. Er ignorierte ihn sogar, wenn sie sich in der Stadt begegneten. Nach einiger Zeit waren dem verlernten Nicholas alle Türen in New Orleans verschlos- sen. Eine traurige Geschichte, non?«
Mara hatte ihm gebannt zugehört und schüttelte schließlich den Kopf. »Er hat seinen Bruder umgebracht? Das kann ich nicht glauben«, flüsterte sie.
Jacques faßte ihr unters Kinn und hob ihren Kopf. »Sie lieben ihn, nicht wahr?«
»Nein!« stritt Mara entschieden ab.
»Pah! Sie lügen!« fauchte Jacques. In seinen dunklen Augen loderte ein seltsames Feuer, als er fortfuhr: »Aber was empfindet Chantale für Sie, ma chérie? Das ist die Frage!«
»Er bedeutet mir nichts«, begann Mara zu weinen und packte Jac- ques am Arm, damit er ihr zuhörte. »Und ich bedeute ihm noch
weniger. Er haßt mich. An Ihrer Stelle würde ich mit ihm nicht über mich sprechen.«
Jacques lächelte gehässig und drängte sich an Mara. Schließlich preßte er sie mit seinem Körper gegen die Wand. »In Zukunft wirst du netter zu deinem Verehrer Jacques sein, non? Du bist klug genug, um zu wissen, wer deine Freunde sind.«
»Was soll das heißen?« fragte Mara und versuchte, ihr Gesicht weg- zudrehen. Aber seine Finger hatten ihr Kinn immer noch
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