Herzen im Feuer
dich erzählen?«
Nicholas blickte sie erheitert an. »Warum sagst du >Lügen«
Sie starrte ihn einen Augenblick an. Dann räusperte sie sich und sagte: »Nun, erstens glaube ich nicht, daß du deinen Bruder erschossen hast. Und außerdem meinte Jacques d'Arcy, du würdest behaupten, du hättest ihn nicht erschossen. Ich glaube dir«, vollendete sie hilflos den Satz, zuckte dann mit den Achseln und wandte sich ab.
Nicholas schüttelte ungläubig den Kopf. »Ist es denn zu fassen? Was hätte ich vor fünfzehn Jahren dafür gegeben, daß jemand aus meiner Familie das sagen würde. Aber nein. Sie alle trauten mir den Mord an meinem Bruder zu. Jetzt endlich glaubt mir jemand, und ich weiß nicht einmal, warum. Dein Vertrauen ist wirklich rührend, Mara. Ich hätte gedacht, daß du nach deinen Erfahrungen mit mir die erste wärst, die mir eine solche Schandtat zutraut.«
»Ich traue dir einiges zu, Nicholas«, erwiderte ihm Mara offen, »aber keinen kaltblütigen Mord an deinem Bruder.«
Plötzlich verspürte Nicholas das Verlangen, ihr alles zu sagen, fast als wollte er angesichts der schauerlichen Einzelheiten ihre Loyalität auf die Probe stellen.
»Ich war ein junger, arroganter Hitzkopf, Mara, und ich habe man- chen Strauß aus eitlen und - im nachhinein betrachtet - lächerlichen, unwichtigen Gründen gefochten. Ich war nicht der Mann, der ich heute bin, deshalb darfst du die beiden nicht in einen Topf werfen. Und«,
ergänzte er mit einem herausfordernden Grinsen, »du kennst weder Beaumarais... noch Amaryllis.«
»War sie so schön?« fragte Mara eifersüchtig.
»Damals hätte ich liebend gern mein Leben für sie gegeben«, antwor- tete ihr Nicholas schlicht und ohne sich dessen zu schämen.
»Wenn du behauptest, unschuldig zu sein, dann glaube ich dir«, wiederholte Mara, unbeeindruckt von seiner Selbstkritik.
»Wenn es nur so einfach gewesen wäre. Aber ich fürchte, ich selbst war mein ärgster Feind. Mein Ruf, den ich mir im Laufe mehrerer Jahre zugelegt hatte, fällte eigentlich das Urteil über mich. Ich war das schwarze Schaf der Familie. Wie oft habe ich in Gedanken und sogar in meinen Träumen jenen schicksalhaften Tag wiedererleben müssen? Ich spürte, daß ich François unmöglich hätte töten können. Doch in schwa- chen Momenten überfielen mich Selbstzweifel«, gestand ihr Nicholas leise. Sein Blick war in die Ferne gerichtet, er schien ihre Umgebung überhaupt nicht wahrzunehmen.
»Vielleicht hatte ich ihn ja erschossen? Hatte meine Kugel ihn nicht doch niedergestreckt? Ich zielte links an ihm vorbei, wie er links an mir vorbeizielte. Es war ein idiotisches Spiel, das wir schon als Kinder gespielt hatten. Aber diesmal, so sagte man später, gewann der Neid die Oberhand über meine Bruderliebe, und ich erschoß ihn. Es war der perfekte Mord, denn ich konnte immer behaupten, es sei ein Unfall gewesen-und wer hätte mir vor Gericht das Gegenteil beweisen wollen? Doch gegen die öffentliche Meinung und das Urteil meiner Familie konnte ich nichts ausrichten, und deshalb mußte ich schließlich die Stadt verlassen.« Düstere Schatten lagen über Nicholas' Augen. »Ich habe mich immer gefragt, was François wohl fühlte, als die Kugel ihn traf. Glaubte er, ich hätte ihn erschossen? Ich war bei ihm, als er starb, und als er zum letztenmal die Augen öffnete und mich ansah, hatte ich das Gefühl, er wollte mir etwas sagen. Er stand mir bei unserem Duell gegenüber, so daß er hinter mich sehen konnte. François hat seinen Mörder vielleicht sogar gesehen. Wenn er mir nur noch etwas hätte sagen können. Die Liebe in seinen Augen kurz vor seinem Tod war der einzige Trost, der mir in all den Jahren blieb. Er hat mich nicht verflucht.«
»Und was war mit Amaryllis?« fragte Mara mitleidig. »Sie floh nicht mit dir?«
Nicholas schenkte ihr einen ironischen Blick. »Amaryllis als Ausge- stoßene? Schwer vorstellbar. Außerdem, was hätte ich ihr bieten kön-
nen? Ich hatte kaum Geld und noch weniger Aussicht, welches zu verdienen. Amaryllis wußte immer schon, was sie wollte. Ein Leben in ärmlichen Verhältnissen war nichts für sie. Wir wuchsen zusammen auf, aber erst auf unserem ersten gemeinsamen Ball fiel mir auf, wie schön sie war. Die Plantage ihrer Familie, Sandrose, lag direkt neben Beaumarais, deshalb trafen sich unsere Familien ständig bei irgendwel- chen Picknicks oder gesellschaftlichen Anlässen. Bestimmt hofften alle darauf, daß sich zwischen unseren Familien
Weitere Kostenlose Bücher