Herzen im Feuer
Mademoiselle bei ihrem Beschützer doch wohl besser aufgehoben war.
»Mille pardons!« entschuldigte er sich mit einem falschen Lächeln, nahm seine Hand von Maras Schulter und trat vorsichtig den Rückzug an. »Au revoir, mes amis.«
Mara seufzte erleichtert auf und drehte sich zu Nicholas um. Ihr Lächeln erstarb augenblicklich, als sie seinen wütenden Blick sah. »Merci, Monsieur«, bedankte sie sich heiter. Sie versuchte, die Span- nung zu lösen, fachte aber seine Wut nur noch mehr an.
»Was zum Teufel tust du hier?« wollte er wissen, nahm ihren Ellbo- gen und zog sie mit sich die Straße hinunter.
»Ich habe nur einen kleinen Spaziergang gemacht«, verteidigte sich Mara.
»Auf der Gallatin Street? Einen unpassenderen Weg hättest du dir kaum aussuchen können, mein Liebe«, sagte er sarkastisch. »Es sei denn, du wärst oberhalb der Canal Street herumgelaufen, wo dich wahrscheinlich ein paar Matrosen vergewaltigt hätten.«
Mara schaute ihn zornig an. »Du bist nicht für mich verantwortlich, Nicholas Chantale. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe mich gefragt, ob wir dich überhaupt wiedersehen würden, jetzt wo wir New Orleans erreicht haben«, erklärte sie spitz und wand sich aus seiner Hand.
Nicholas sah sie nachdenklich an. »Wir werden uns später über deine Stellung unterhalten«, erklärte er unvermittelt.
»Meine Stellung?« wiederholte Mara mit beißendem Spott. Sie wurde immer wütender. »Seit wann bin ich deine Angestellte? Und vor allem, wann erhalte ich endlich meinen Lohn?«
»Meiner Meinung nach schaden sich die Iren mit ihrer scharfen Zunge selbst am meisten«, wies Nicholas sie zurecht und hielt eine Kutsche an.
»Rue des Ramparts«, befahl er dem Kutscher, half dann Mara in die Kutsche und setzte sich mit versteinerter Miene neben sie.
»Wohin fahren wir?« fragte sie schließlich.
»Ich brauche ein paar Informationen«, antwortete Nicholas kurz angebunden.
»Es überrascht mich, dich schon wiederzusehen. Ich dachte, du würdest immer noch die Rückkehr in den Schoß deiner Familie feiern«, bemerkte Mara. »Du hast sie doch besucht, nicht wahr?«
»Anscheinend sind sie zur Zeit nicht in New Orleans«, erklärte Nicholas und fügte hinzu: »Das ist befremdlich, denn es ist mitten in der Saison. Sie sollten eigentlich alle in der Stadt sein, wegen der Feste und Bälle. Aber offenbar sind sie immer noch auf Beaumarais.«
Mara fiel auf, daß seine Stimme weicher wurde, als er die Plantage erwähnte. »Wie ist Beaumarais?«
Nicholas lächelte. »Unvergleichlich. Sechs schlanke und schöne Säu- len flankieren das Portal. Kletterrosen ranken sich an ihnen zur Galerie hoch, und wenn die Sonne aufgeht, beginnt der rosafarbene Stuck an der Fassade zu leuchten. Das Gebäude sieht man bereits von der Auffahrt aus, an der moosbewachsene Eichen stehen.«
Mara sah, wie sich seine Züge entspannten. Es war unübersehbar, daß er sein Geburtshaus sehr liebte, und Mara verstand, warum man ihn des Mordes an seinem Bruder verdächtigt hatte. Dadurch wäre er Erbe von Beaumarais geworden. »Und jetzt kehrst du also heim«, schloß Mara leise. »Du mußt sehr glücklich sein. Hat dein Vater herausgefun- den, wer deinen Bruder wirklich umgebracht hat?«
Nicholas zuckte zusammen und faßte sie scharf ins Auge. »Woher weißt du das? Was hast du über François gehört?« forschte er nach, nickte aber gleich darauf und beantwortete seine Frage selbst. »Der Schwede.«
Mara schüttelte den Kopf. »Nein, Jacques d'Arcy hat darüber ge- sprochen. Er hat früher in New Orleans gelebt und erkannte dich im Eldorado wieder.«
»Ich verstehe«, erklärte er stirnrunzelnd. »Die Gerüchte folgen mir anscheinend um die Welt. Was hat er dir erzählt?«
Mara zuckte mit den Achseln. Sein forschender Blick bereitete ihr Unbehagen. »Du kennst es bestimmt schon alles.«
»Ja, wahrscheinlich, aber ich möchte wissen, was du über meine Vergangenheit gehört hast«, erklärte Nicholas mit zusammengekniffe- nen Augen.
»Wenn du darauf bestehst«, willigte Mara ein. »Jacques d'Arcy er- zählte mir, du hättest deinen Bruder im Duell getötet. Du wolltest Beaumarais und außerdem...«
»Fahre nur fort, meine Liebe«, drängte er sie. »Und außerdem?«
»Und außerdem seine Verlobte, wenn du es wirklich wissen willst«, vollendete Mara den Satz.
Nicholas zündete sich scheinbar unbeteiligt eine Zigarre an.
Mara betrachtete ihn neugierig. »Stört es dich überhaupt nicht, daß sich die Leute Lügen über
Weitere Kostenlose Bücher