Herzen im Feuer
verwandtschaftliche Bande knüpfen würden. Wahrscheinlich betrachtete mich Amaryllis' Vater als angemessene Partie für seine Tochter, bis ihr Bruder bei einem Reitun- fall ums Leben kam und Amaryllis zur Alleinerbin aufstieg. Was lag da näher, als die beiden Erben miteinander zu vermählen und die beiden Güter zu verschmelzen? Das war doch viel profitabler als eine Hoch- zeit mit dem draufgängerischen jüngeren Bruder.«
»Und du warst damit einverstanden? Hast du ihnen nicht eure Liebe gestanden?« fragte Mara mitleidig. In welch einer Situation hatte sich der junge Nicholas da befunden!
»Natürlich habe ich protestiert, wie es mein Vater wohl nicht anders von mir erwartet hatte. Aber Amaryllis war von meiner Liebe nicht so geblendet, daß sie sich die Gelegenheit entgehen lassen würde, Herrin von Beaumarais zu werden und vom Wohlstand unserer Familie zu profitieren. Die Sandonets waren ständig in Geldschwierigkeiten. Und François war Amaryllis' Reizen gegenüber wohl ebenso anfällig wie ich und hatte sich bestimmt in sie verliebt. Da Amaryllis und ich immer sehr diskret gewesen waren, wußte er wahrscheinlich gar nicht, wie tief unsere Zuneigung zueinander war«, erklärte ihr Nicholas und fügte nachdenklich hinzu. »Ich frage mich, ob Amaryllis damals nicht sogar vorhatte, uns beide zu besitzen - mich als Liebhaber und meinen Bruder als Gatten. Vielleicht hätte sie mich geheiratet - ich weiß es nicht -, aber als sie Sandrose erbte, war eine reiche Heirat für sie von größter Bedeutung. Sonst wäre ihre Plantage ruiniert gewesen und den Gläubigern in die Hände gefallen. Nur in einer Beziehung hatte sich Amaryllis verrechnet. Wenn sie die Gattin meines Bruders wurde, hätte ich sie nie wieder angerührt, denn ich war keinesfalls so skrupellos, wie die meisten Leute glaubten.«
»Du hast gesagt, dein Vater hätte dich in einem Brief gebeten, zu- rückzukehren. Warum jetzt, nach all den Jahren?« erkundigte sich Mara neugierig.
»Weil mein Vater offensichtlich herausfand, wer François wirklich
erschoß«, antwortete Nicholas kurz.
»Wer?« fragte Mara atemlos.
Nicholas lächelte und schüttelte bedauernd den Kopf. »Das hat mir mein Vater nicht verraten. Vielleicht fürchtete er, ich würde ihm nicht vergeben und nicht auf Beaumarais zurückkehren, deshalb enthielt er mir diese Information vor. Er wußte, daß ich nicht ruhen würde, bis ich die volle Wahrheit weiß.« Sein Blick ließ Mara das Blut in den Adern gefrieren, und sie schauderte, obwohl die Sonne sie in der offen en Kutsche beschien.
Mara betrachtete die kleinen, einstöckigen Häuser, die jetzt die Straße säumten. Zu ihrer Überraschung ließ Nicholas die Kutsche plötzlich an einer Straßenecke halten, direkt vor einem Blumenstand. Er sprang aus dem Wagen und unterhielt sich mit der großgewachsenen Negerin, deren Karren vollbeladen mit Blumen war. Mara sah, wie die Frau auf ein paar Häuser deutete. Nicholas drückte ihr Geld in die Hand und erhielt dafür einen Strauß, kletterte in die Kutsche zurück und gab dem Kutscher neue Anweisungen.
Dann warf er einen Blick auf Mara, zog mit einem Lächeln eine gelbe Rose aus dem Strauß und steckte sie in ihr Mieder, so daß der süße Duft ihr in die Nase drang.
Die Kutsche hielt vor einem kleinen Haus. Nicholas bezahlte den Kutscher, und dann standen sie vor dem stuckverzierten Gebäude. Die rosa gestrichenen Fensterläden leuchteten durch den üppigen Vorgar- ten.
Ohne zu zögern marschierte Nicholas auf den Eingang zu und klopfte an die ebenfalls rosafarbene Tür. Neugierig sah er sich um. Dann wurde die Tür von einem Negerbutler in Livree geöffnet, der sich zwar höflich verbeugte, den Weg aber nicht freigab. Offensichtlich wartete er darauf, daß Nicholas sich vorstellte.
»Sag Mademoiselle Ferrare, daß Nicholas de Montaigne-Chantale sie besuchen möchte«, verkündete dieser so stolz wie wahrscheinlich schon vor fünfzehn Jahren.
Die Augen des Butlers blitzten kurz auf, als er den Namen hörte. Er trat beiseite, führte sie dann in einen Salon und entfernte sich, um seine Herrin zu benachrichtigen.
»Du hättest mich nicht mitnehmen müssen, wenn du hier private Dinge besprechen möchtest, Nicholas«, erklärte Mara steif. Sie hockte
auf der Kante eines seidengepolsterten Stuhles und fühlte sich fehl am Platze. »Ich finde den Weg zurück zum Hotel auch allein.«
»Du bist jetzt hier«, setzte sich Nicholas über ihren Einwand hin- weg, »also kannst du dich
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