Herzen im Feuer
»Es ist eine gute Übung. Schließlich werden Sie bald selbst ein Heim haben. Ich hörte eben, daß Ihre Hochzeit bevorsteht?« Ihre ruhige Stimme besänftigte das aufge- brachte Mädchen, das sich dem Charme dieser merkwürdigen Frau nicht entziehen konnte. »Ich könnte Ihnen etwas über die neueste Mode erzählen. Und, meine Liebe, ich komme eben aus New Orleans. Ich habe einige exquisite Kleider dort gesehen. Wir könnten uns bei einer Tasse Tee darüber unterhalten. Ich ahne schon, welche Farben Ihnen besonders gut stehen würden.« Maras Stimme klang fast träume- risch, dann begutachtete sie scheinbar nachdenklich Nicoles Figur. »Mhmmm, ja, natürlich, Kirschrot wäre eindeutig am besten.«
Nicole lebte unter Maras bewundernder Zustimmung sichtlich auf. »Oh, Mademoiselle, natürlich empfängt Beaumarais Sie mit offenen Armen. Ich werde mich sofort darum kümmern, daß Zimmer für Sie und Ihre Begleiter vorbereitet werden.«
Mara fing Damaris' Blick auf. Das Schmunzeln verriet ihr, daß sich
das kleine Mädchen nicht so leicht hinters Licht führen ließ wie Nicole. »Ich schicke gleich einen Wagen los, der Ihre Koffer holt, Made- moiselle, aber erst muß ich mich um Mama kümmern.«
»Ihr bester Auftritt seit Jahren«, brummelte Jamie anerkennend, als sie hinter Mara ins Haus schlurfte.
In der Eingangshalle verhielt Mara kurz, um das große Wandgemälde und den Kristallüster zu bewundern, der über ihnen glitzerte. Eine breite Mahagonitreppe führte ins Obergeschoß hinauf, und unter einem mit Blattgold verzierten Spiegel stand ein kleines Ziertischchen mit einer Vase voller roter Rosen.
»Bitte, Mademoiselle, hier hinein«, bat Nicole und führte Mara in einen weiträumigen Salon. Den Boden bedeckte ein blaßgoldener Au- bussonteppich, und vor den Balkontüren, durch die man auf die Ve- randa sah, hingen Goldbrokatvorhänge. Erst als sie auf den Teppich trat, bemerkte Mara die durchgewetzten Stellen darin und die faden- scheinigen Säume der Vorhänge. Nicole wies auf ein hellblaues Sofa, bevor sie sich vorsichtig auf einem ebenso hellblauen Sessel niederließ.
Aber Mara war von dem Porträt gefesselt, das über dem Kamin hing. Sie ging hinüber und starrte es wie gebannt an. Der Mann mit dem scharf geschnittenen Gesicht hatte die gleichen sinnlichen Lippen und kühnen großen Augen wie Nicholas. Nur seine Miene war sanfter als die seines Sohnes. Dies also war Philippe de Montaigne-Chantale, der stolze Herr von Beaumarais, der seinen Sohn einst verstoßen hatte.
Nicole beobachtete Mara schweigend und knabberte unruhig an ihrer Unterlippe, bevor sie zaghaft fragte: »Ist es wahr? Ist der Mann tatsächlich Nicholas? Ist er mein Halbbruder?«
Mara drehte sich zu dem jungen Mädchen um. »Die Verwandtschaft ist nicht zu leugnen, und die Reaktion Ihrer Mutter war eindeutig.«
Der Butler trat mit einem silbernen Teeservice ein, gefolgt von zwei Mädchen mit silbernen Tabletts. Das eine war mit leckeren Süßigkeiten überladen, auf dem anderen stand eine Kanne mit heißer Schokolade, die köstlichen Duft verströmte.
Paddy begann zu strahlen, als er die Tabletts sah, und ließ die verlockenden Kuchen keine einzige Sekunde aus den Augen. Ohne erst lange abzuwarten, bis man ihn einlud, baute er sich neben Nicole auf, die den Tee einschenkte.
»Paddy«, ermahnte Mara ihn leise und gab ihm ein Zeichen, sich neben sie auf das Sofa zu setzen.
»Es ist schon in Ordnung, Mademoiselle«, beschwichtigte sie Nicole lächelnd. »Ich bin selbst eine Naschkatze und kann verstehen, daß der Kleine ungeduldig ist. Ich trinke nachmittags immer Schokolade«, gestand sie und schenkte Paddy eine Tasse ein. »Du willst bestimmt auch Schokolade, Paddiee«, neckte sie ihn. Er verzog das Gesicht, als er hörte, wie sie seinen Namen aussprach. Eifrig nahm er die Tasse entge- gen, aber plötzlich seufzte er bedauernd, stellte sie auf dem Tisch ab und wartete geduldig neben Nicole. Sie zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Tee für Jamie, bitte, Madam«, sagte er höflich und zu Maras großer Überraschung.
Jamie hatte sich etwas abseits gesetzt, wo sie niemand beachtete, wo ihr aber nichts entging, während sie sich mit ihrer Stickerei beschäftigte. Da sie Zimmermädchen, Gouvernante und Reisebegleiterin in einer Person war, war ihre soziale Position nicht ganz klar. Deshalb zog sie es vor, im Hintergrund zu bleiben.
Sie war zutiefst gerührt, als sie Paddy mit einer Teetasse und einer überfluteten Untertasse in der
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