Herzen im Feuer
ihr Onkel befand. Ihre dunkelbraunen Augen spiegelten ihre Unsicherheit und ihr Mißfallen angesichts dieser uner- warteten Wendung. Sie wandte sich hochnäsig von Nicholas ab, als wollte sie seine fast übermächtige Anwesenheit ignorieren.
Nicholas schien ihre Reaktion nicht im geringsten zu beeindrucken. Er folgte Etienne in den Salon und nahm ihm ein Glas Weinbrand ab, das dieser mit familiärer Selbstverständlichkeit eingeschenkt hatte, um sich dann in einem Sessel niederzulassen. Etienne fühlte sich in Beau- marais ganz und gar zu Hause. Nicholas setzte sich neben Mara auf das Sofa und warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er sagte: »Am besten gewöhnst du dich gleich an mein Gesicht, Nicole, denn ich werde bis auf weiteres hierbleiben.«
Nicole sprang augenblicklich auf und zog eine Schnute. »Ich gehe jetzt zu Mama«, drohte sie ihm und Etienne. »Sie wird nicht erlauben, daß sich dieser Eindringling auch nur einen Augenblick länger in unserem Haus aufhält.«
»Du wirst sie jetzt nicht mit deinen Albernheiten stören«, befahl Nicholas mit solcher Autorität, daß Nicole wider Willen stehenblieb.
Sie drehte sich zu ihm um, und der Mund stand ihr vor Staunen offen. »Sie - Sie befehlen mir in meinem Haus, nicht mit meiner Mutter zu sprechen?« stammelte sie. Ihre braunen Augen verfinster- ten sich, bis sie vollkommen schwarz schienen. »Wie können Sie es wagen?«
»Ich kann«, gab Nicholas in aller Seelenruhe zurück. »Deine Mutter schläft, und wenn du dich nicht zusammenreißen kannst, dann wirst du auf dein Zimmer gehen. Oder du setzt dich wieder hin und trinkst deinen Tee aus.«
Damaris war inzwischen ins Haus zurückgekehrt und kam gerade rechtzeitig herein, um Nicholas' Ermahnung zu hören. Sie ahnte, daß einer von Nicoles berüchtigten Wutausbrüchen bevorstand, aber sie wußte, daß ihre Schwester diesmal ihren Kopf nicht durchsetzen würde.
»Ich würde auf ihn hören, wenn ich du wäre«, riet Damaris ihrer
Schwester, hockte sich auf den Teppich vor dem Kamin und empfand plötzlich Mitleid für Nicole.
Nicole warf ihrer kleinen Schwester einen leidenden Blick zu, aber die war bereits mit Paddy beschäftigt, der sich neben ihr niedergelassen hatte. Nicoles große braune Augen wanderten zu Mara hinüber, aber auch von dort erhielt sie kein Zeichen der Ermutigung - im Gegenteil, sie hatte das Gefühl, die goldenen Augen würden direkt durch sie hindurch- sehen. Entrüstet stampfte sie mit dem Fuß auf.
»Ihr seid alle so gemein«, greinte sie und rannte aus dem Zimmer.
Nicholas warf Mara einen ironischen Blick zu. »Du solltest ihr Schauspielunterricht geben, meine Liebe.«
Mara deutete ein Lächeln an, da sie nicht wußte, ob sie das als Kompliment oder als Beleidigung auffassen sollte. Aber in jedem Fall mußte sie ihm recht geben.
»Mon Dieu«, sagte Etienne plötzlich zerknirscht. »In all der Aufre- gung habe ich vollkommen meine Manieren vergessen. Pardon, Made- moiselle, aber ich bin Etienne Ferrare, Nicholas' Onkel«, stellte er sich vor und beugte sich mit weltmännischer Gewandtheit, die ihm angebo- ren zu sein schien, über ihre Hand. Dann schaute er Nicholas vorwurfs- voll an. »Wann stellst du mir endlich dieses hinreißende Wesen vor?«
»Mara O'Flynn«, verkündete Nicholas mit einem stolzen Lächeln, als würde es ihm persönliche Befriedigung bereiten, wie sie auf andere Leute wirkte.
»Ah, eine Irin. Das erklärt alles.« Etienne erhob sein Glas zu einem Toast. »Es ist mir wirklich ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Made- moiselle O'Flynn.«
»Ist Irland sehr weit weg, Mademoiselle O'Flynn?« fragte Damaris neugierig. »Ich war immer nur in Louisiana. Manchmal sind wir nach New Orleans gefahren, aber weiter bin ich noch nie gewesen.« Sie seufzte. »Ich möchte einmal um die Welt segeln, aber«, schränkte sie mit leuchtenden Augen ein, »erst wenn ich meine eigene Pferdezucht habe.«
»Ich bin schon um die Welt gesegelt. Na, fast«, machte Paddy sie neidisch und baute sich stolz vor ihr auf.
Damaris' Augen wurden groß. Sie war sichtlich beeindruckt und musterte diesen fremden Jungen mit deutlich größerem Interesse als zuvor. Er konnte ihr bestimmt eine Menge über fremde Länder erzäh- len.
Mara trank Tee und lauschte bald den Kindern, bald den beiden Männern. Während sie Paddys Reiseschilderungen mit halbem Ohr zuhörte, fragte sie sich, was Nicolas und seine Stiefmutter wohl bespro- chen hatten.
Dann hörte sie Schritte auf den Fliesen draußen
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