Herzen im Feuer
konnte, schloß sich sein Mund über ihrem; er brachte sie damit effektiver zum Schweigen, als er es mit Worten je vermocht hätte. Es war kein sanfter Kuß, Mara schmeckte die Brutalität darin, die sie mehr verletzte als alle Worte. Es war ein heißer, verzehrender Kuß, und erniedrigend, weil ihm wirkliche Wärme fehlte.
Und genauso plötzlich ließ er sie wieder los. Wütend starrten sie sich endlose Sekunden lang an, dann ließ Nicholas die Arme sinken, machte auf dem Absatz kehrt und marschierte aus dem Zimmer.
Mara blickte blind vor Tränen seiner Gestalt nach, die Hände zu Fäusten geballt. Sie zitterte vor Wut und Trauer am ganzen Körper.
Sie stand immer noch mitten im Zimmer, als sie einige Minuten später zornige Stimmen hörte, die vom Rasen vor dem Haus zu ihr heraufdrangen. Sie trat auf den Balkon und beugte sich über das Gelän- der, von wo sie Nicholas entdeckte, der sich mit ein paar Stallburschen unterhielt. Sie traten nervös von einem Fuß auf den anderen und schauten einander verlegen an, als wollten sie sich gegenseitig die Schuld für irgend etwas zuschieben.
Nicholas schien sie in seinen schwarzen Stiefeln und engen Reithosen bei weitem zu überragen. Er hörte ihnen zu, beide Hände in die Hüften gestützt. Dann schien ihn etwas abzulenken, denn er drehte den Kopf, wie um einem entfernten Geräusch zu lauschen. Er wandte sich um und wartete. Mara reckte sich noch weiter vor, um die Auffahrt überblicken zu können, sah aber kaum etwas. Plötzlich bemerkte sie einen bunten Fleck. Mit offenem Mund sah sie den großen Braunen, zwei Kinder auf seinem Rücken, über die Zäune setzen, die die Auffahrt begrenzten.
Das Pferd galoppierte auf den weiten Rasen vor dem Haus und trottete dann auf die Veranda zu. Mara traute ihren Augen kaum, als sie Paddys dunkle windzerzauste Locken unter sich entdeckte. Seine dünnen Arm- chen hatte er fest um Damaris' schmalen Körper geschlungen, und seine Beine ragten wie Stecken über den breiten Rücken des Pferdes hinaus, während er auf dem Rücken des mächtigen Hengstes auf- und abhopste. Auch Nicholas hatte die beiden entdeckt und erwartete sie vor dem Haus. Mit grimmiger Miene und schweigend starrte er auf die beiden kleinen Gestalten auf dem breiten Pferderücken.
Mara hielt vor Schreck den Atem an, denn sie kannte diese Miene nur zu gut und wußte, daß er keine Nachsicht kennen würde, wenn er die beiden für ihr Vergehen bestrafen wollte. Damaris und Paddy hatten sich seinen Zorn zugezogen und würden nun für ihren Ungehorsam bezah- len müssen. Um Paddy vor dem Schlimmsten zu bewahren, hastete Mara über den Balkon zur Außentreppe, in der Hoffnung, rechtzeitig eingrei- fen zu können.
Damaris starrte trotzig auf Nicholas herab, ohne die Furcht zu zeigen, die ihr Herz in ihrer kleinen Brust rasen ließ. Vielleicht übertrug sich ihre Furcht auf das Pferd, vielleicht machten auch die vielen Menschen Hexer nervös, jedenfalls stieg er auf die Hinterfüße und schlug mit den Vorder- hufen durch die Luft. Paddy, der damit überhaupt nicht gerechnet hatte, fiel rückwärts aus dem Sattel. Nicholas sprang herzu und fing Paddy auf, bevor er auf dem Boden aufschlug, doch Paddys Angstschrei erreichte Mara, die gerade in diesem Augenblick um die Hausecke bog und ihn stürzen sah. Vor ihrem inneren Auge sah sie die mörderischen Hufe bereits auf Nicholas und Paddy niederprasseln.
Sie blieb abrupt stehen, als sie sah, wie Nicholas den kleinen Jungen mit einem Satz in Sicherheit brachte.
»Ich habe dir doch verboten, auf Hexer zu reiten, Damaris«, maßre- gelte Nicholas das Mädchen mit mühsam gezügelter Wut. »Nur wegen deiner Gedankenlosigkeit hätte Paddy sterben oder zum Krüppel wer- den können.«
Damaris bekam immer mehr Angst vor Nicholas, denn sie wußte sehr wohl, daß sie Paddy keinesfalls zu diesem Ritt hätte überreden dürfen. Aber sie wollte nicht zugeben, daß sie den großen Hengst nicht unter Kontrolle hatte. »Du bist nicht mein Vater! Hexer gehört mir, und ich kann ihn reiten, wann ich will!« verteidigte sie sich, während sie mit aller Kraft versuchte, den Braunen zu beruhigen.
Nicholas sah, wie sehr sie sich anstrengen mußte, um sich auf dem feurigen Roß zu halten, und er wußte, daß es nur noch eine Frage von Sekunden war, bis sich ihr Griff lockern und sie die Zügel schießen lassen würde. Dann würde Hexer durchgehen. Er konnte es daran erkennen, wie das Pferd mit den Augen rollte.
Nicholas wollte nach den Zügeln
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