Herzen im Feuer
daß ihm das Geständnis seiner kleinen Halbschwester sehr naheging. »Bitte, verzeih mir, daß ich nicht hier war und mich um dich kümmern konnte, denn ich glaube, du wärst mein Liebling gewesen.«
Mara riskierte einen Blick durch den Türspalt, als sie auf Zehenspit- zen vorbeischlich, und sah zu ihrer Überraschung Damaris' roten Schopf an Nicholas' Brust.
Sie öffnete die Tür zu Paddys Zimmer. Der Junge stand mit finsterer Miene und tränennassem Gesicht vor seinem Bett. Unruhig schaute er auf, als er hörte, wie die Tür geöffnet wurde, aber dann sah er, daß es Mara war, rannte zu ihr und schlang seine Arme um ihren Rock.
»Ich hasse ihn«, schluchzte Paddy. Seine Stimme wurde durch Maras Röcke gedämpft.
Sie strich ihm besänftigend über die Locken. »Es tut mir leid, daß er dich bestrafen mußte, aber was du getan hast, war sehr gefährlich. Kannst du dir vorstellen, wie ich mich gefühlt hätte, wenn dir etwas zugestoßen wäre?«
Paddy schniefte. »Ich hab's ja nur gemacht, weil Damaris es gesagt hat. Ich hatte solche Angst«, gestand er und drückte sein erhitztes Gesicht an Mara.
»Versprichst du mir, nie wieder auf diesem Pferd zu reiten?«
»Das mach' ich nie mehr, bestimmt!« antwortete Paddy wie aus der Pistole geschossen, und Mara fragte sich, was ihm mehr Angst eingejagt hatte, das Pferd oder Nicholas' Reaktion.
Mara beugte sich hinunter und küßte ihn auf die Stirn. »Wahrschein- lich kommt Jamie gleich mit einem Glas Milch und einem Stück Ku- chen herauf. Warum bleibst du nicht in deinem Zimmer und spielst hier ein bißchen?« schlug sie vor.
Paddy nickte ergeben. »In Ordnung. Ich glaube, es regnet sowieso gleich wieder«, sagte er, holte sein Lieblingsbilderbuch heraus und setzte sich auf die Bettkante. »Aber Onkel Nicholas verrate ich jetzt auch nichts mehr von meinem Geheimnis«, murmelte er vor sich hin, bevor er das Buch aufschlug.
Das Böse ist unbegrenzt und kann jede Gestalt annehmen
PASCAL
Kapitel 14
Die nächsten Tage waren voll hektischer Aktivität, denn Celeste traf die letzten Vorbereitungen für die Abreise von Beaumarais. Nicole und ihre Familie würden den Rest des Monats flußaufwärts auf der Plantage ihrer zukünftigen Verwandten verbringen und dann nach New Orleans reisen, um die Bälle und Abendgesellschaften der Mardi-Gras-Saison nicht zu verpassen. Nicoles Verlobter, der nach Frankreich gereist war, wurde jeden Tag zurückerwartet.
Bis auf einige persönliche Dinge und ihre Lieblingsmöbel überließ Celeste Nicholas die gesamte Einrichtung von Beaumarais. Sie war, dank Nicholas' großzügigem Kaufangebot, jetzt eine sehr wohlha- bende Frau. Wenn sie sich in Charleston niederließ, würde sie sich komplett neu einrichten können.
In der Zwischenzeit nutzte Amaryllis jeden Vorwand, um mit Ni- cholas über alle möglichen geschäftlichen Angelegenheiten zu reden. Elegant gekleidet, spazierte sie ein und aus, und oft sah man sie dicht neben Nicholas sitzen, wenn sie ihn nach seiner Meinung über irgend- ein Problem befragte. Paddy dagegen mied demonstrativ seinen einsti- gen Helden.
In der Nacht vor Celestes Abreise stand Mara an Paddys Bett und wartete darauf, daß er seine Gebete sagte, als er plötzlich innehielt. »Jetzt fällt's mir wieder ein!« jubelte er, sprang aus dem Bett und rannte barfuß zur Tür.
»Paddy!« rief ihm Mara nach.
»Master Paddy«, echote Jamie überrascht, die eben mit einem Stapel
frischgewaschener Leintücher hereinkam. »Wohin denn so eilig, junger Mann?«
»Aber morgen hab' ich es wieder vergessen«, erklärte er ihr und warf Mara einen flehenden Blick zu. »Ich muß noch einen Soldaten holen. Ich hab' ihn versteckt und dann vergessen. Bitte, ich bin gleich wieder da.« Und damit war er schon zur Tür hinaus.
Lautlos schlich er die Treppe hinunter und verharrte an ihrem Fuß. Hinter der geschlossenen Salontür waren Stimmen zu hören. Schnell überquerte er den kalten Fliesenboden und eilte zur Tür des Arbeits- zimmers. Er betrat den dunklen Raum, ohne die Kerze zu bemerken, die auf dem Schreibtisch brannte und schwaches Licht verbreitete. Ohne zu zögern, marschierte Paddy auf das Fensterbrett zu. Mit geüb- tem Griff schob er das Brett beiseite und befreite den Soldaten aus seinem dunklen Versteck. Dann drehte er sich um, lief aus dem Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
Eine Minute lang blieb alles still, nachdem er den Raum verlassen hatte. Dann bewegte sich ein Schatten neben einem Bücherregal, löste
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