Herzen im Feuer
stellte, etwas Jungenhaftes.
Mara und Brendan warfen sich einen vielsagenden Blick zu, als sie beobachteten, wie Don Andres' Sekretär sich ins Gespräch mischte, immer bemüht, allen zu gefallen und seinen Gastgebern Ehre zu berei- ten, indem er ihren Gästen gegenüber höflich war. Sein jungenhafter Charme mochte vielleicht die anderen irreführen, Mara und Brendan erkannten jedoch die Kniffe und geschickten Schachzüge eines Schau- spielers.
»Ich frage mich, was der kleine Jerry wohl vorhat«, flüsterte Brendan, ohne den Blick von Jeremiah Davies zu wenden, der sich eben aufmerksam vorbeugte, um Doña Felicianas geflüsterte Worte besser verstehen zu können. »Vielleicht macht er sich ja Hoffnungen?«
»Das geht uns nichts an«, wies ihn Mara gleichfalls flüsternd zurecht und wandte sich dann um, um die anderen Gäste zu begrüßen, die nun auch endlich die lang erwartete Doña Amaya kennenlernen wollten.
Das Essen wurde auf einem fünf Meter langen Eichentisch aufgetra- gen, der mehr als die Hälfte des Eßzimmers einnahm. Die Gäste ließen sich auf ebenso langen Bänken nieder. Als die farbenprächtigen Ge- richte auf den Tisch gestellt wurden, warf Mara Brendan einen Blick zu, der daraufhin mit einem gottergebenen Blick seinen Löffel in die Sup- penschale vor sich senkte.
Mara folgte seinem Beispiel in der Annahme, die Suppe sei minde- stens so scharf wie ihr Essen am Abend zuvor, aber zu ihrer angeneh- men Überraschung war sie durchaus genießbar. Paddy, der zwischen Mara und Brendan saß, schmeckte es offensichtlich auch. Hungrig fischte er die Klöße aus seiner Suppe.
Mara sah die flachen tortillas auf dem Tisch stehen und fragte sich, wo wohl das Brot war. In diesem Augenblick riß Raoul ein Stück von einer tortilla ab und benutzte es wie eine Gabel: Er schaufelte Bohnen darauf und steckte sich das Ganze in den Mund. Paddy schien das zu gefallen, und er ahmte den Kalifornier nach, Brendans mißbilligendem Blick zum Trotz. Große, bunte und noch dampfende Tonschüsseln standen vor ihnen auf dem Tisch.
»Gestatten Sie mir, etwas für Sie auszuwählen, Doña Amaya«, erbot sich Don Andres. Er deutete auf einige merkwürdig aussehende Krea- tionen, die einer der Diener auf einen Teller häufte.
»Bitte nicht so viel«, wehrte Mara mit einem Lachen ab, als der randvolle Teller vor sie hingestellt wurde.
Mißtrauisch stocherte sie mit ihrer Gabel in einer gefüllten Mais- mehltasche, dann nahm sie unter den kritischen Blicken ihrer Gastge- ber einen Bissen. Er schmeckte köstlich. Sie lächelte angenehm über- rascht, und freundliches Grinsen antwortete ihr von allen Seiten.
»Das ist eine tamale, und sie ist mit Fleisch gefüllt«, erklärte Doña Ysidora. »Man muß sie zwei Tage kochen, damit sie richtig gut werden. Versuchen Sie auch die enchilada und die puchero mit Fleisch und Gemüse, Zwiebeln und Tomaten. Sí, das wird Ihnen schmecken!«
»Es schmeckt ausgezeichnet, Doña Ysidora«, bestätigte Mara freundlich.
»Gracias. Dem Kleinen schmeckt es auch«, stellte sie befriedigt fest, als Paddy, der seine Bohnen aufgegessen hatte, einen Bissen von dem Fleisch nahm.
Brendan zuckte mit den Achseln. Sein Hunger hatte schließlich über sein Mißtrauen gesiegt, und er nahm einen Löffel von dem dicken Eintopf auf seinen Teller. Als er überrascht krächzte, schaute ihn Mara verwundert an. Mit weiten Augen beobachtete sie, wie sein Gesicht rot anlief und Tränen über seine Wangen rollten. Verzweifelt versuchte er, das Brennen in seiner Kehle mit Wein zu löschen.
»Himmel!« stöhnte er dann. »Damit kann man ja Tote erwecken.«
Mara biß sich auf die Lippe und hoffte, daß ihre Gastgeber nicht beleidigt waren, aber die Kalifornier lachten nur laut und schienen sich über seine Hilflosigkeit und sein knallrotes Gesicht zu amüsieren.
»Das ist ein Kompliment für meine Mutter, Señor O'Sullivan«, erklärte ihm Don Andres. »Wir sind stolz auf unser scharfes Essen. Je schärfer, desto besser, eh, amigos? Tut mir leid, daß ich vergaß, die grünen chili-Schoten zu erwähnen. Und auch vor den roten müssen Sie sich in acht nehmen!«
Brendan lächelte verkniffen.
»Doña Amaya hätte bestimmt anders reagiert. Sie hat schließlich kalifornisches Blut in ihren Adern«, forderte Don Luís Mara mit einem spitzbübischen Funkeln in den Augen heraus. »Ich frage mich, ob sie das Feuer des chili-Pfeffers besser verträgt.« Er schaute sich, nach Unterstützung heischend, um. »Aber
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