Herzen im Feuer
langer, langer Zeit hatte ich das Gefühl, verflucht zu sein. Jedenfalls wünschte mir jemand Böses.«
»Und stehen Sie immer noch unter diesem Fluch?« Mara versuchte, seine Miene in der Dunkelheit zu lesen.
»Auch eine lebhafte Erinnerung an die Vergangenheit kann manch- mal ein Fluch sein, Mademoiselle«, antwortete Nicholas. »Haben Sie das nicht auch schon erlebt?«
Mara zuckte lediglich mit den Achseln. Sie wollte ihn nicht wissen lassen, daß er an eine offene Wunde gerührt hatte. »Das klingt, als hätten Sie keine angenehmen Erinnerungen an New Orleans. Haben Sie keine Familie dort?«
»Keine, die mich aufnehmen würde, Mademoiselle. Aber Sie irren sich, ich habe äußerst angenehme Erinnerungen an meine Geburtsstadt. Keine Stadt der Welt gleicht New Orleans, und ich bin weit herumge- kommen. Selbst Paris verblaßt neben dem Vieux Carré, wenn Sie durch die Esplanade gehen. Das ist eine breite Avenue mit vornehmen Ziegel- häusern, deren schmiedeeiserne Balkone über die Straße ragen. Hinter den hohen Gattern findet man bisweilen einen abgeschiedenen Hof wie jenen, in dem wir jetzt gerade sitzen. Ein kleiner Brunnen plätschert, der Patio ist mit gelben Ziegeln ausgelegt, Magnolien und Gardenien verströmen ihren Duft, und zart blühende Rosen laden Sie ein, einen Augenblick zu verweilen.«
»Aber Sie haben die Stadt verlassen?« fragte Mara neugierig.
»Ja, ich habe New Orleans verlassen, Miss Vaughan«, antwortete Nicholas knapp. »Möchten Sie wissen, warum?«
Mara schüttelte den Kopf. Sein Tonfall mißfiel ihr. »Bitte, das geht mich wirklich nichts an.«
»Glauben Sie? Vielleicht doch«, erklärte Nicholas geheimnisvoll. »Auf jeden Fall möchte ich es Ihnen erzählen, Miss Vaughan. Ich möchte, daß Sie wissen, in welcher Gesellschaft Sie sich befinden und wozu ich fähig bin.« Nicholas' Stimme war hart, dann lehnte er sich zu ihr hinüber und fuhr leise fort: »Man hat mir einen Mord zur Last gelegt, Mademoiselle.«
Auf Maras erschreckten Laut hin lachte Nicholas gefühllos. »Macht Ihnen das angst? Das sollte es auch, Mademoiselle. Aber wahrschein- lich fragen Sie sich, warum ich nicht gehenkt wurde. Es geschah wäh- rend eines Duells, und auch wenn sich die Einstellung langsam ändert, so ist es immer noch umstritten, ob Duelle ein Verbrechen sind oder nicht. In einer konservativen Gesellschaft wie der kreolischen, wo die persönliche Ehre um jeden Preis verteidigt werden muß, wird das Duell im allgemeinen akzeptiert. In meiner Familie und unter meinen Freun- den galt das allerdings nicht, und so wurde ich verstoßen«, erklärte Nicholas. Dann lächelte er traurig und fügte hinzu: »Nur ein großer, dickschädeliger Schwede hielt zu mir.«
»Das verstehe ich nicht. In England trafen sich die Kontrahenten im Morgengrauen, um ihre Meinungsverschiedenheiten auszutragen. Ich fand die Vorstellung immer sehr zivilisiert.«
»Es ist niemals zivilisiert, einen Menschen zu töten. In New Orleans traf man sich unter den Eichen. Normalerweise wurden dort am Mor- gen, nachdem die Gegner wieder nüchtern waren, die Fehden mit Pistole oder Degen ausgetragen. Wenn es sich allerdings um eine drin- gende Angelegenheit handelte, die nicht bis zum Morgengrauen warten konnte, kämpften wir im Garten von Père Antoine bei der Kirche von St. Louis. Meist ging es um einen angeblich falsch ausgesprochenen Namen oder um eine aerzerone, mit der jemand im Ballhaus getanzt hatte, das nur wenige Schritte entfernt lag. Sehr praktisch, nicht wahr?« fragte Nicholas. »Ich frage mich, ob Sie sich vorstellen können, auf wie vielen Grabsteinen der Friedhöfe steht: >Pour garder intact le nom de la famille< oder >Opfer seiner Ehre<. Sie wären bestimmt überrascht, Mademoiselle.«
»Was ist eine aerzerone?« wollte Mara wissen.
»Das Kind eines weißen Vaters und einer mulattischen Mutter.«
»Und Sie haben sich oft wegen einer Frau duelliert?« Mara war wider Willen fasziniert.
»Ich war ein sehr hitzköpfiger junger Mann, nicht anders als die vielen jungen Heißsporne, die sich in jede schöne Frau verlieben, sobald sie sie zu Gesicht bekommen. Ich machte viele dumme Fehler mit vielen tragischen Konsequenzen«, fügte er ernst hinzu. »Aber Sie wollten etwas über New Orleans erfahren, Miss Vaughan, nicht über meine Jugend.
New Orleans liegt im Mississippidelta, einem flachen Sumpfgebiet
mit hohem Riedgras, über das der Golfwind hinwegweht. Es wird von bayous, schlafenden Wassern voller Seerosen und
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