Herzen im Feuer
Wange. »Aber vielen Dank für die Warnung.«
»Jedenfalls muß noch wesentlich mehr Zeit vergehen, bevor wir einander besser kennenlernen«, antwortete Mara hochmütig. Sie trat zurück, aus der Reichweite seiner Arme.
»Ich werde das nicht vergessen und Ihnen den Gefallen tun. Aber warten Sie nicht zu lange, Mademoiselle, denn meine Zeit ist begrenzt.
Sonst werde ich mich nach einer anderen Zerstreuung umsehen müs- sen«, erklärte ihr Nicholas gelangweilt. Dann wandte er sich ab und ließ Mara allein in der Dunkelheit zurück. Sie fühlte sich, als hätte er sie geschlagen, nicht umgekehrt.
Denn was wir seh'n und schau'n, ist nur der Traum in einem Traum.
EDGAR ALLAN POE
Kapitel 5
Gitarren- und Violinenklänge schwebten durch den Hof. Fackeln war- fen tanzende Schatten über die Gesellschaft, die sich in kleinen Grup- pen im Patio und unter der langen Galerie versammelt hatte. Gelächter und Stimmen erfüllten die kühle Nachtluft, die nach den Blumen aus den zahllosen Beeten duftete.
Don Luís' schwarze Augen glühten im Licht der Fackeln und vor Gier nach dem juwelenbesetzten Kreuz, das an einer Goldkette zwi- schen Maras Brüsten ruhte. Ihr eng tailliertes Gewand lenkte den Blick auf das Kreuz und betonte zugleich die weichen, von Seide umschmei- chelten Formen ihres Körpers.
Es war Brendans Idee gewesen, Don Luís damit zu überraschen, daß Mara das Kreuz trug. Don Luís würde sehnsüchtig auf das so nahe und doch unerreichbare Stück schauen müssen, das er seit so langer Zeit begehrte. Auf diese Weise würde er auch einmal die Qualen kennenler- nen, die Brendan verspürte, wenn er aus dem rancho hinaus auf die Berge der Sierra Nevada blickte. Es war eine teuflische Rache.
»Es macht mich sehr glücklich, daß Sie das Kreuz tragen, Doña Amaya«, flüsterte Don Andres Mara ins Ohr. »Sie erwecken es zum Leben«, fügte er mit einem langen Blick auf ihre sanft gerundeten Brüste hinzu.
Mara schaute ihm tief in die Augen, wobei in ihren ein Funken Wärme aufblitzte. »Gratias, Don Andres«, murmelte sie. Als sie an ihm vorbeischaute, wurde ihr Blick noch wärmer und ihr Lächeln verführe- rischer, denn sie sah direkt in Nicholas Chantales grüne Augen. Don
Andres hielt die Luft an, so bezaubernd war ihr Gesicht in diesem Moment. Mara selbst merkte gar nicht, daß ihr Blick sinnlich wurde und ihre Lippen sich zu einem einladenden Lächeln teilten, während sie nachdenklich den Kreolen beobachtete.
Andres lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem er ihr etwas ins Ohr flüsterte und Mara zum Lachen brachte. Dadurch wurde Doña Ysidora auf sie aufmerksam, die nahebei saß, den Kopf mit einer Spitzenmantilla bedeckt, die sie über ihre linke Schulter gelegt hatte. Ihr unförmiges schwarzes Gewand hatte sie abgelegt; statt dessen trug sie ein gelbes Seidenkleid mit Spitzenbesatz.
Die Trauerzeit für Doña Felicianas Vater war offensichtlich zu Ende, denn letztere war ebenfalls in ihrem farbenfrohesten Kleid erschienen. Ihre Schultern lagen über dem engen Mieder ihrer blaßblauen Bluse frei. Feliciana hatte sich ein rotes Seidentuch um die Taille geschlungen und an der Seite verknotet. Das fransige Ende hing bis zum Saum ihres weißen Musselinrocks herab, der mit Volants besetzt und mit bunten Bändern und Goldspangen verziert war.
Feliciana schaute eifersüchtig zu Mara und Don Andres hinüber. Wütend ließ sie ihren Fächer zuschnappen, als Mara eine Hand auf Don Andres' Arm legte und ihm vertraulich ihren Kopf zuneigte.
Plötzlich stimmten die Musikanten ein fröhliches Stück an, und Mara und Andres schauten auf. Andres' Mund öffnete sich in wortloser Überraschung, als er Felicianas schlanke Fesseln sah, die in weißen Seidenstrümpfen steckten. Das Mädchen lüpfte verführerisch seinen Rock und begann über den Hof zu tanzen. Mit ihren blauen Seiden- schuhen steppte sie einen schnellen Rhythmus auf das Pflaster.
Sie hob ihre bloßen Arme über ihren Kopf, so daß sich der dünne Stoff ihrer Bluse über ihren kleinen, festen Brüsten spannte. Die Schärpe schwang in einem weiten Kreis herum, als sie sich zu drehen begann, und ihr Rock wölbte sich glockenförmig über den schlanken Beinen. In der Hand schüttelte sie ein Tamburin, dessen Schellengeklirr den Tanz noch exotischer machte.
Felicianas Publikum verfolgte schweigend ihre Darbietung. Paraly- siert wäre treffend, dachte Mara erheitert, als sie Andres' fassungsloses Gesicht sah und die Mißbilligung in Doña Ysidoras
Weitere Kostenlose Bücher