Herzen im Feuer
heimtückischer Strömungen, durchzogen. Zypressen, deren Stämme mit grauem, auf dem Wasser treibenden Moos behangen sind, scheinen immer tiefer im Schlamm zu versinken.
Man sollte uns dazu gratulieren, daß wir auf einem so unwirtlichen Fleck einen der wichtigsten Häfen im gesamten Golf von Mexiko errichtet haben. Und einen der interessantesten dazu, Mademoiselle, denn bei uns mischen sich viele Kulturen. Zum Beispiel gibt es bei uns noch Sklaven, die aus Afrika dorthin verschleppt wurden. Meine Vor- fahren dagegen stammen aus Frankreich, wo es nach der Revolution viele Adlige vorzogen, sich nach New Orleans abzusetzen, als sich köpfen zu lassen. Diese französischen Aristokraten importierten einen höchst kultivierten Lebensstil, den sie aus Versailles und Paris ge- wohnt waren. Sie waren nicht gewillt, diesen Komfort im Exil aufzu- geben. Neben dieser Noblesse und den Extravaganzen unserer euro- päischen Vorfahren haben wir noch etwas Exotik ererbt, da viele Franzosen vor dem Sklavenaufstand in Santo Domingo nach New Orleans flohen. Unglücklicherweise schleppten sie mit ihren Be- diensteten auch den Aberglauben bei uns ein. Der Voodooglaube ver- breitet sich wie eine heimtückische Krankheit unter den Sklaven und leider auch unter vielen Kreolen«, erklärte Nicholas mit verächtlichem Lachen.
Mara zitterte, denn eine kühle Brise strich ihr über die Schulter. »Und Sie glauben nicht daran?«
»Das Gehirn ist ein seltsames Organ, Miss Vaughan. Es gibt sich gern Täuschungen hin, wenn man es nur läßt. Ich glaube, ich bin stark genug, einer solchen Versuchung zu widerstehen. Der Gedanke, daß jemand anderes mein Leben und meine Gefühle kontrollieren könnte, gefällt mir nicht. Ich glaube, Ihnen würde das auch nicht zusagen.«
»Da haben Sie ganz recht, Mister Chantale, ich habe mein Leben immer in der Hand«, erwiderte Mara. »Aber verraten Sie mir doch, wie man sich in New Orleans vergnügt.«
»Sie klingen, als würden Sie daran zweifeln, aber wir sind minde- stens so kosmopolitisch wie London oder Paris. Es gibt in New Or- leans mehrere Theater und eine Oper, jede Nacht hals de societé, erlesene Soireen. Nachmittags trinkt man Kaffee oder Wein bei Vin- cent's oder in einem der anderen Cafes rund um den Place d'Armes.
Und die Küche von New Orleans findet nirgends ihresgleichen. Auf den großen Festen, wo wir all unsere Verwandten trafen, gab es Trut- hahn, Langusten und Austern, Forelle aus den bayous, Rotbarsch aus dem Golf, gekochten Schinken in Champagner, frisches Gemüse vom Markt, Pariser Kuchen, Lafayette-Torten, Sorbets und Minzplätzchen. Dazu tranken wir Madeira, Rotwein oder Champagner.
Wenn die Saison zu Ende war, zogen wir uns auf unsere Plantagen zurück und ritten auf der Old River Road unter den Eichen am Fluß entlang. Am einen Ufer des Mississippi erstreckten sich saftige grüne Wiesen, während sich auf dem anderen die ehrwürdigen säulenge- schmückten Häuser und die blühenden Gärten der Plantagenbesitzer ausdehnten. Merkwürdig, daß man solche Dinge erst zu schätzen lernt, wenn sie einem genommen werden.« Nicholas sprach eher zu sich selbst als zu ihr.
»Sie vermissen es.« Mara war von seinem Heimweh merkwürdig berührt.
»Vermissen?« fragte Nicholas scharf. Mara konnte ahnen, daß er im Dunkeln mit den Achseln zuckte. »Vielleicht. Aber wenn man sich gern an etwas erinnert, bedeutet das nicht unbedingt, daß man dorthin zurückkehren möchte. New Orleans hat auch seine Schattenseiten, Mademoiselle. Wie die Menschen auch«, fügte er kalt hinzu und machte damit deutlich, daß er auf ihr Mitgefühl keinen Wert legte.
»Verzeihen Sie, daß ich Sie für so naiv hielt, Monsieur. Natürlich haben Sie als Mann von Welt keinen Sinn für Emotionen«, entschul- digte sich Mara sarkastisch.
»Doch, ich habe durchaus Gefühle, Mademoiselle«, versicherte ihr Nicholas. »Ich habe versucht, mein Herz davor zu verschließen, aber es gelang mir nicht. Als Junge mußte ich mit ansehen, wie meine Mutter starb, als die Pest in New Orleans wütete. Ganze Familien wurden über Nacht ausgelöscht. Karren und Kutschen voller Leichen rollten pau- senlos durch die verlassenen Straßen der Stadt.
Manche allerdings behaupten, viel schlimmer als die Pest seien die Amerikaner, die in die Stadt drängen, seitdem Louisiana an die Verei- nigten Staaten verkauft wurde. Ich frage mich, welche Löcher die Amerikaner in das Vieux Carré gerissen haben, seit ich fort bin.« überlegte Nicholas.
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