Herzen in Flammen
er war früh am Morgen zurückgekommen, um sie wieder mit den Beschreibungen der Foltern zu verhöhnen, die sie zu erwarten hatten. Er kam jetzt direkt auf Thorolf zu und stieß mit der stumpfen Seite der Klinge seines gezogenen Schwertes gegen den nackten Fuß des Gefangenen.
»Lord Royce, mein Gebieter, will mit dir sprechen, Wikinger«, kündigte Hunfrith gewichtig an.
Kristen zwickte Thorolf, weil sie ihn dazu bringen wollte, aufzustehen, doch er schlug ihre Hand unwillig zur Seite. Er hatte eine kauernde Haltung eingenommen und war wie die anderen bereit, über die Sachsen herzufallen, wenn sie etwas unternahmen, um sie voneinander zu trennen und einzeln zu foltern. Da nur drei Männer vor ihnen standen, war der Zeitpunkt wohl noch nicht gekommen, doch er wollte kein Risiko eingehen.
Die dunkelgrünen Augen des Sachsenherrschers glitten unbeteiligt über die Gruppe, als sähe er sie zum ersten Mal. Im Gegensatz zu gestern war sein Gesichtsausdruck unergründlich. Natürlich war die klägliche Verfassung der Gefangenen jetzt in der hellen Mittagssonne deutlicher zu erkennen, und zweifellos hatte er das Gefühl, dass sie keine Bedrohung für ihn darstellten, denn sonst wäre er nicht so dicht zu ihnen gekommen. Seine Sorglosigkeit war schon fast provozierend.
Dieser Sachse fürchtet sich weiß Gott nicht, dachte Kristen, als sein Blick zunächst nur über sie hinwegglitt und sich ihr dann abrupt wieder zuwandte. Sie senkte schnell den Blick und spürte, dass ihr Herz einen Satz machte, als diese dunklen Augen auf ihr haften blieben, denn sie fürchtete, er könne ihre Verkleidung in irgendeiner Form durchschaut haben.
Sie blickte erst wieder auf, als sie ihn reden hörte, doch ihr Unbehagen nahm nur zu. Sie hatte sich bisher nicht klar gemacht, dass sie dem Mittelpunkt des Interesses zu nahe war, denn Thorolf, an den man sie gekettet hatte, war der einzige, mit dem die Sachsen reden konnten. Sie kauerte sich hinter ihn, machte sich ganz klein und versteckte sich hinter seinem breiten Rücken.
Der Sachse sah auf Thorolf herunter. »Man hat mir gesagt, du sprichst unsere Sprache. «
»Ein wenig«, gab Thorolf zu.
»Wer ist euer Anführer?«
»Tot.«
»Das Schiff hat ihm gehört?«
»Seinem Vater. «
»Dein Name?«
»Thorolf Eriksson.«
»Dann deute auf euren neuen Anführer, Thorolf, denn ich weiß, dass ihr ihn bereits bestimmt habt. «
Thorolf sagte erst gar nichts und bat schließlich-. »Langsamer.«
Royce runzelte ungeduldig die Stirn. »Euer neuer Anführer. Wer ist es?«
Jetzt grinste Thorolf und rief: »Ohthere, steh auf, und stelle dich den Sachsen vor. «
Kristen beobachtete, wie ihr Cousin unsicher aufstand, denn er hatte kein Wort von dem gesamten Gespräch verstanden, bis Thorolf ihn gerufen hatte. Er war ihr gegenüber auf der anderen Seite des Kreises angekettet, doch er hatte sich in der vergangenen Nacht zu ihr geschlichen und drei der Männer mit sich ziehen müssen. Seine beiden Brüder waren tot, doch er vergrub seinen Kummer in sich, wie auch sie es tat. Da er der Älteste und außerdem Seligs Cousin war, war er jetzt ganz selbstverständlich ihr Anführer.
»Wie heißt er?« fragte Royce, während er Ohthere musterte.
»Ohthere Haardrad«, erwiderte Thorolf.
»Gut. Sag Ohthere Haardrad, dass man mich überredet hat, Nachsicht walten zu lassen. Ich kann euch nicht weiterziehen lassen, aber ich werde euch Essen und ein Dach über dem Kopf geben, wenn ihr bereit seid, mir zu dienen. Es geht um den Bau eines Steinwalls um dieses Gut. Wenn ihr euch entscheidet, nicht zu arbeiten, bekommt ihr kein Essen. So einfach ist das. «
Statt den Sachsen zu bitten, seine Worte langsam zu wiederholen, sagte Thorolf: »Reden«, und wies auf seine Kameraden.
Royce nickte. »Ihr solltet euch unbedingt beraten. «
Thorolf rief die Männer auf, sich dicht zusammenzudrängen, doch das war nur ein Vorwand, um Kristen in ihre Mitte zu ziehen, damit niemand sehen konnte, dass sie redete. »Beim Thor! Was hat er bloß erzählt?«
Sie grinste von einem Ohr zum anderen. »Er wird uns nicht töten. Er will, dass wir ihm statt dessen seinen Steinwall bauen.«
»0 nein, ich werde nicht für diesen Schurken schwitzen!«
»Dann wirst du verhungern«, gab Kristen zurück. »Seine Bedingungen waren unmissverständlich . Wir arbeiten für unser Essen und unsere Behausung. «
»Als Sklaven?«
»Seid nicht so dumm!« fauchte sie. »Das gibt uns Zeit für die Flucht. «
»Ja , und Zeit, um unsere Wunden
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