Herzen in Flammen
sich noch einmal anders überlegt hatte.
»Das tut mir leid, Meghan«, sagte sie unbeholfen. »Dein Volk hat viel von meinem Volk erleiden müssen. «
»Das waren Dänen, diese anderen. «
»Ich sehe keinen großen Unterschied. Wir sind auch gekommen, um zu plündern, aber euch wollten wir nicht überfallen, wenn dich das tröstet. «
Meghan legte die Stirn in Falten. »Soll das heißen, deine Freunde hätten Wyndhurst gar nicht angegriffen?«
»Nein, sie hatten es auf ein Kloster weiter im Inland abgesehen, und das auch nur aus Blödsinn.«
»Das Kloster Jurro?«
»J a.«
»Aber das ist doch vor fünf Jahren von den Dänen zerstört und nie wieder aufgebaut worden. «
»0 Gott!« stöhnte Kristen. »Selig und die Hälfte der Männer tot, und all das für nichts. «
»War Selig ein Freund?« fragte Meghan zaghaft.
»Ein Freund? Ja, ein Freund - und ein Bruder«, gab Kristen mit gebrochener Stimme zurück.
»Du hast bei der Schlacht im Wald einen Bruder verloren?«
»Ja ... ja ... ja!«
Bei jeder Lautäußerung schlug Kristen mit der Faust auf einen Tortenboden, und als das ihre Seelenqualen nicht linderte, warf sie den Tisch um. Eda kam ihr entgegen, als sie aus dem Haus laufen wollte.
»Ich habe gehört, was du der Kleine erzählt hast. Ich wünschte, ich hätte es nicht belauscht. Es tut mir leid für dich. Und jetzt bring das Durcheinander wieder in Ordnung, das du angerichtet hast. Dann braucht niemand etwas davon erfahren.«
Nach einem längeren Zögern kehrte Kristen um. Als sie das Chaos sah, seufzte sie. Meghan war nirgends mehr zu sehen. Zum Glück war um diese frühe Stunde auch sonst niemand in ihrer Nähe.
»Was ist mit dem Kind?«
Eda schnaubte. »Das ist erschrocken, als du losgelegt hast. So schnell wird es wohl nicht mehr mit dir reden. «
Kristen stieß noch einen Seufzer aus.
14
Zwei Wochen waren vergangen, seit Kristen ins Haus gezogen war. Thorolf und den anderen hatte sich anscheinend keine Fluchtmöglichkeit geboten, denn sie arbeiteten immer noch an dem Wall. Es war ihr nicht gelungen, mit ihnen zu sprechen oder sich ihnen auch nur zu zeigen, damit sie wuss ten, dass sie wohlauf war. Wenn sie einem offenen Fenster oder einer Tür zu nahe kam, war immer jemand da, der sie zurückrief. Sie schien ständig bewacht zu werden, sei es von den Dienstboten oder von Royce' bewaffneten Gefolgsmännern, die sich oft im Saal aufhielten.
Sie hatte ihre Zeit dazu genutzt, möglichst viel über die Sachsen in Erfahrung zu bringen. Von den Dienstboten wurde sie mit einer ungewöhnlichen Mischung aus Angst und Verachtung behandelt, wenn man von Eda absah, die ihr inzwischen eine Form von unwilligem Respekt entgegenbrachte, und es hätte sogar von einer gewissen Zuneigung die Rede sein können, die jedoch kaum zu erkennen war, da die Frau von Natur aus mürrisch war. Eda war leicht dazu zu bringen, freiwillig Informationen von sich zu geben, ohne zu merken, dass sie manipuliert und auf subtile Weise ausgehorcht wurde.
Kristen wuss te jetzt eine ganze Menge über Wyndhurst und dessen Gebieter. Das Gut war autark, eine Notwendigkeit, da die nächste Stadt weit entfernt war. Royce war ein Than einer der hochgestellten Gefolgsadeligen des Königs, und zu Wyndhurst gehört eine Menge Land. Wie in Norwegen gab es freie Bürger, die das Land bearbeiteten, das Gut bewirtschafteten und den verschiedenen Gewerben nachgingen. Sie konnten eigenes Land besitzen, doch sie waren der Krone und der Kirche zu Abgaben verpflichtet und muss ten Militärdienst leisten. Royce bildete die Männer für den bevorstehenden Krieg gegen die Dänen aus. Viele zählten schon zu seinen persönlichen Ge folgsmännern . Er bildete außerdem einige seiner besten Leibeigenen aus, die zwar nicht frei waren, doch er versorgte sie mit Waffen und bot ihnen die Gelegenheit, sich die Freiheit zu erkaufen. Er hatte ein kleines Heer bereit, das sich den Streitkräften König Alfreds anschließen würde, wenn es an der Zeit war.
Über Royce hatte Kristen erfahren, dass er bisher noch nicht verheiratet war, aber noch dieses Jahr heiraten würde. Über seine Verlobte, die weiter im Norden wohnte, konnte Eda ihr nicht viel berichten, nur, dass sie Corliss hieß und angeblich sehr schön sein sollte. Weit mehr hatte Eda über die erste Verlobte des Lord Royce zu erzählen, Lady Rhona, und Kristen stellte erstaunt fest, dass sie tatsächlich Mitleid mit dem Sachsen hatte, als sie erfuhr, dass er bei diesem anderen Überfall der
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