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Herzenhören

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Titel: Herzenhören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sendker
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Täler der Shan-Provinz.
    Bevölkerung: Eine einmalige Mischung aus Shan, Birmanen, verschiedenen Bergvölkern, birmanischen und indischen Muslimen und Nepalesen (Gurkhas, die einst in der britischen Armee dienten), viele von ihnen gingen in Missionsschulen. Bis in die Siebzigerjahre gab es in Kalaw amerikanische Missionare die in den Schulen unterrichteten. Ein Großteil vor allem der älteren Einwohner spricht noch heute Englisch.«
    Als Sehenswürdigkeiten waren drei Pagoden und der Markt vermerkt. Es gab angeblich ein birmanisches, ein chinesisches und ein nepalesisches Restaurant, ein Kino und mehrere Teehäuser. Mein im Tudorstil erbautes Hotel hatte ein Engländer entworfen; es war schon während der Kolonialzeit das erste Haus am Platz gewesen. Außerdem gab es noch mehrere kleine Hotels und Pensionen »für geringste Ansprüche«.
    Nach dem Frühstück ging ich in den Garten und setzte mich unter eine Pinie auf eine Holzbank. Von der Kühle des Morgens war nichts mehr zu spüren, mit der Sonne war die Hitze gekommen, ein süßlich-schwerer Geruch lag in der Luft.
    Wo sollte ich mit der Suche nach Mi Mi beginnen? Mein einziger Anhaltspunkt war der Briefumschlag mit ihrer Adresse:
    38, Circular Road
    Kalaw, Shan State
    Burma
    Das war vor fast vierzig Jahren.
    Ich brauchte dringend ein Fahrzeug und auch einen Einheimischen, der sich gut auskannte. Was noch?
    In meinem Notizblock machte ich eine Liste von Dingen, die ich zu tun hatte:
    1. Auto plus Fahrer mieten
    2. Tourguide finden
    3. Telefonbuch besorgen
    4. Stadtplan kaufen
    5. Mi Mis Adresse suchen
    5. Falls verzogen, Nachbarn und/oder Polizei befragen
    7. Polizei nach Vater fragen
    8. Bürgermeister und/oder Einwohneramt checken
    9. Evtl. andere Amerikaner oder Engländer aufsuchen
    10. Vaters Foto in Teehäusern, Hotels und Restaurants zeigen
    11. Sämtliche Hotels, Clubs etc. checken
    Nicht anders bereitete ich mich auf Verhandlungen und Gespräche mit Klienten vor; das Auflisten, die systematische Recherche, war mir vertraut und gab mir Sicherheit.
    Das Hotel hatte mir einen Fahrer empfohlen, der auch als Tourguide arbeitete. Er sei heute mit zwei dänischen Touristen unterwegs und würde in den kommenden Tagen Zeit haben. Er wollte am Abend gegen acht Uhr ins Hotel kommen. Es machte Sinn, auf ihn zu warten und mit der Suche erst morgen zu beginnen. Außerdem konnte ich U Ba nach Mi Mi fragen, auch wenn er ein Schwindler war. Er hatte offensichtlich sein Leben in Kalaw verbracht und war in ihrem Alter, vermutlich kannte er sie.
    Es war kurz nach zwölf, und ich beschloss, ein wenig zu joggen. Nach der langen Reise brauchte mein Körper Bewegung, es war zwar warm, aber die trockene Höhenluft und der Wind machten die Hitze erträglich. Ich war gut in Form und lief in Manhattan selbst an heißen und schwülen Sommerabenden mehrere Meilen durch den Central Park.
    Das Joggen tat gut, es befreite mich. Die Blicke störten nicht mehr, ich musste ihnen nicht ausweichen, weil ich mich auf meine Beine konzentrierte. Ich hatte das Gefühl, ich konnte allem, was mir fremd und unheimlich war, davonlaufen, konnte sehen und beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Ich lief ins Dorf hinunter, die Hauptstraße entlang, an einer Moschee und einer Pagode vorbei, umrundete in einem weiten Bogen den Markt, überholte Ochsenkarren und Pferdekutschen und mehrere junge Mönche. Erst beim Laufen bemerkte ich, wie langsam und gemächlich sich die Menschen im Ort bewegten, trotz ihrer Leichtfüßigkeit. Jetzt fühlte ich mich ihnen gewachsen, bestimmte mein Tempo selbst und musste mich nicht mehr ihrer Geschwindigkeit anpassen. Ich spürte die Kraft in meinen Beinen, war froh, dass sie auch nach einer halben Stunde nicht weniger wurde. Selbst den Anstieg zu meinem Hotel schaffte ich mit leichten Füßen.
    Nach dem Duschen legte ich mich aufs Bett und ruhte mich aus. Ich fühlte mich besser.
    Auf dem Weg zum Teehaus dann wurden meine Beine müde, ich spürte jeden Schritt. Ich war unsicher und aufgeregt, wollte wissen, was mich erwartete. Ich bin kein Mensch, der sich gern überraschen lässt. Was würde er mir erzählen, was davon konnte ich glauben? Ich wollte ihm detaillierte Fragen stellen, und sollte er sich in Widersprüche verwickeln, würde ich aufstehen und gehen.
    U Ba wartete bereits. Er stand auf, verbeugte sich und nahm meine Hände. Seine Haut war weich und seine Hände angenehm warm. Wir setzten uns. Er bestellte zwei Gläser Tee und ein paar Kekse und schaute

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