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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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nicht. Ohne sich noch einmal umzusehen, betrat sie die Allee zum Gutshaus, als wollte sie dort sofort die Herrschaft übernehmen.
    Der Pastor wußte, wie immer es ausging, sie würde nie wieder in das Haus des Tischlers zurückkehren. Vielleicht fand sie tatsächlich ein neues Zuhause auf dem Gut. Vielleicht irrte sie in Zukunft durch eine trostlose Welt, von einer verschlossenen Tür zur anderen. Er sah ihr nach, bis sie hinter der Pappelreihe verschwand. Notfalls würde er sie im Pfarrhaus aufnehmen.
    »Pedus?«
    Er fuhr herum und blickte in Wilhelm Webers Gesicht, der dabei war, seine Gesichtsmuskeln zu trainieren, indem er mehrmals den Mund spitzte und wieder erschlaffen ließ, dann die Nase rümpfte und schließlich noch die Lippen in die Mundhöhle saugte.
    »Willi?«
    »Hast du diesen Studenten gesehen?«
    »Warum?«
    »Er ist bei mir eingebrochen. Er hat meine Meerschweinchen umgebracht. Ich habe ihn überwältigt und gefesselt. Jetzt komme ich zurück und sehe, daß Lisa ihn befreit haben muß. Er hat sie vermutlich mitgenommen. Gar nicht auszudenken, was er mit ihr machen könnte! Ich denke, es ist an der Zeit, diesem Kerl den Hals umzudrehen. Damit tun wir dem ganzen Dorf einen Gefallen.«
    »Bist du sicher, daß es so war?« Der Pfarrer wollte ihm eine Chance geben.
    »Na klar, habe ich doch selbst gesehen.«
    »Ich habe den Studenten bei dir befreit.« Letzte Chance für Wilhelm Weber.
    »Du? Nö, glaub ich nicht. Will ich gar nicht glauben.«
    »Und dann habe ich ihn in den Brunnen gesperrt.«
    »Prima. Laß uns hingehen und ihn umbringen.« Wilhelm Weber rieb sich die Hände.
    »Damit er nicht erzählen kann, wie es wirklich war?«
    »Meinst du etwa, ich bringe, um ein Beweismittel zu haben, meine Meerschweinchen um, und der Kerl bleibt leben! Wo sind wir denn?«
    »In Herzensach. Und die gesamte Bevölkerung ist hinter dem Studenten her.«
    »Prima.«
    »Außerdem hat deine treue Lisa versucht, ihn wieder einzufangen.«
    »Ha! Ich wußte, daß ich mich auf sie verlassen kann!«
    Der Pastor verschwieg, daß der Student nicht mehr im Brunnen saß. Er traute Wilhelm Weber nicht, auch wenn dessen Mordlust eher gespielt war. Der Wurstfabrikant war ein einfacher Mann und löste seine Probleme gern mit Gewalt.
    Er nahm ihn mit, führte ihn zu Lisas Leiche. Mit dem starken Mann ging eine Verwandlung vor sich. Er fiel in sich zusammen und begann mit erstickter Stimme und unbeholfen von seiner Liebe zu dem Mädchen zu sprechen. Ihr gegenüber hatte er sich noch nicht offenbart. Er hatte seiner Liebe sechs Monate Wartezeit geben wollen, damit sich eventuell auch seine Frau besinnen und zurückkehren könne, »jene Zeit, die auch ein Schwein braucht, um schlachtreif zu werden«, wie er sich ausdrückte.
    Er streichelte die Schultern des toten Körpers und gab ein knurrendes Geräusch von sich. Der Pastor stieg über ihn hinweg, holte ein Glas aus dem Schrank und wollte es mit Wasser füllen. Der Schlachter sprang auf und schlug es ihm aus der Hand, dann begann er wüst auf den Tischler zu schimpfen. Schließlich gestand er, daß der Wasserhahn unter Strom stand.
    »Der Tischler hat es gemacht. Ich mußte ihm dabei helfen. Nein, warte, es war anders. Ich habe nur zugesehen. Ich verstand gar nicht, was er da machte. Ich bin vollkommen unschuldig ...«
    »... an Lisas Tod. Natürlich, du Idiot!« Der Pfarrer wurde zornig. »Da siehst du es: Du hast sie selbst umgebracht. Was ist aus dir geworden? Ein Mörder!«
    Wilhelm Weber ließ den Kopf hängen und kaute auf seinen Lippen. »Scheiße, Scheiße, Scheiße«, wiederholte er unablässig. Der Pfarrer machte weiter in seiner Wut.
    »Über viele Jahre hinweg haben wir uns regelmäßig im Gutshaus getroffen. Du, Bernhard Andree, der Förster und ich. Gemeinsam mit dem Gutsherrn stellten wir die Vertreter der Vernunft in Herzensach dar. Du weißt, warum das notwendig war.«
    »Ja, ja, schon gut.« Wilhelm Weber beugte sich zu Lisas Körper hinab und strich ihr übers Haar. »Dann laß uns jetzt zusammenkommen und sehen, wie wir es wieder hinbiegen.«
    »Endlich wirst du vernünftig. Es gibt nämlich noch eine Leiche.«
    »Meinst du die alte Maria Glaser?« Er stutzte. »Sollte sie nicht heute oder morgen beerdigt werden? Wir könnten sie zusammen in ein Grab ... und weg ... und Stillschweigen.«
    »Willi!« warnte der Pfarrer.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
    Sie verließen die Wohnung und gingen hinüber zum Haus des Arztes. Mit der unnatürlichen Wärme waren

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