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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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sechzehnjährigen Tochter, Besitzerin eines langweiligen Ladens, welcher täglich von 12 Uhr 30 bis 15 Uhr 30 geschlossen hatte, öffnete das Band ihres roten Kleides von 12 Uhr 30 bis 15 Uhr 30.

16
    Zum wiederholten Mal hatte Jakob Finn erstaunt beobachtet, wie am Vormittag die Wolken über Herzensach aufrissen und über dem Dorf ein rundes blaues Loch bildeten. Er konnte sich nicht erklären, was für Aufwinde hier herrschten, aber die Wolkenbildung schien einem System zu folgen, zumal gegen Mittag nur noch ein perfekter Kreis kleiner länglicher Wolken über den Hügeln zurückblieb, der wie ein Heiligenschein das Dorf umgab. Als er das Gasthaus verließ, machte er die Mutter des Wirtes darauf aufmerksam. Sie lachte, gratulierte ihm zu seiner Beobachtungsgabe und erklärte achselzuckend, das sei oft so.
    Gleich hinter dem Haus des Arztes bog er in den Feldweg zum Fluß ein und balancierte diesmal schon etwas geübter über die Steine im Wasser. Er wollte noch einmal vom Heidberg aus sein Beobachtungsgebiet eingrenzen. Die Landkarte aus Weinstein, so hatte er festgestellt, war für seine Zwecke doch nicht genau genug. Er hoffte, der Förster würde präzisere Karten besitzen. Die meisten Waldwege waren terrassenförmig angelegt und verliefen parallel zur Herzensach, nur eine Schneise führte direkt den Berg hinauf und erlaubte ihm, wenn er zurückschaute, den Blick auf den Fluß und einen Teil des Gutshauses. Doch wenig später verließ er den Weg, er war ihm zu steil, zu kraftzehrend. Die Geschichte von der Ermordung des schwachsinnigen Carl durch seinen Vater Hubertus van Grunten im Jahre 1912 lenkte ihn zum Ort des Geschehens, der alten Eiche. Vom Aufstieg leicht in Schweiß geraten, setzte er sich in deren Schatten zwischen das gewaltige Wurzelwerk. Er sah hinauf in das Laub des mächtigen Baumes und versuchte sich zu vergegenwärtigen, welche Zeiten und historischen Ereignisse sie schon überdauert hatte. In Pastor Pedus' Büchlein war die Geschichte um den Tod des achtjährigen Carl van Grunten die kunstvollste gewesen, aus der Sicht und Gedankenwelt des Jungen heraus geschrieben und den Schluß nahelegend, daß der Vater den Sohn wohl absichtlich erschossen hatte. Und als Moral der Geschichte hatte Rudolf Pedus einen Nachsatz angefügt, in dem er auf den Tod des Vaters, zwei Jahre später und ebenfalls durch eine Kugel, hinweist.
    Jakob fragte sich, ob der Pastor noch immer der Chronist des Dorfes war und ob es heute überhaupt Ereignisse gab, die es wert waren, notiert zu werden. Aber wer weiß, vielleicht wurde er selbst gerade unter der Feder von Rudolf Pedus zur literarischen Figur: »Als der schwere schwarze Wagen ins Schleudern geriet und Jakob Finn hinter dem Steuer aus seinem Sekundenschlaf hochschreckte, ahnte er bereits ...«
    So könnte seine Geschichte beginnen, doch wie würde sie enden? Mit der Erfüllung seiner gerade erwachten und unmöglichen Liebe?
    Der Aufstieg und die Sonnenstrahlen taten ihre Wirkung. Jakob fühlte die wohlige Schläfrigkeit und überließ sich ihr. Das Leben im Wald hatte den Studenten akzeptiert, wenn auch teilweise notgedrungen wie etwa der Marienkäfer, der in einer Falte auf der Jackenrückseite saß. (Sich totstellen ist wirklich keine Lösung!) Die hektischen Warnrufe der Vögel waren verstummt oder wieder in ihre typischen kleinen Melodien übergegangen, Kaninchen wagten wieder, ihre Ohren über die Grashalme zu erheben, eine Gruppe Rehe überquerte gar nicht weit entfernt den Weg zur alten Eiche, und das Eichhörnchen, das sich angesichts des Studenten die ganze Zeit in eine Astgabel des alten Baumes geduckt hatte, floh nun die Rückseite des Stammes hinunter. Der Marienkäfer in des Wanderers Jackenfalte schlug die falsche Richtung ein und verlor sein Leben.
    Jakobs kurzer Traum war von Angst und Entsetzen geprägt. (Zur Strafe?!) Unmöglich war es ihm, seinen Wagen abzubremsen. Er war zu schnell, oder das Bremspedal war nur eine Attrappe. Jemand stand in der Mitte der Straße, versuchte ihn noch mit erhobenen Händen zu warnen. Erst glaubte er, es sei ein Polizist, doch dann erkannte er den Förster, der hektisch winkte und nicht zur Seite ging. Jakob gelang es gerade noch, ihm auszuweichen, wobei er das Gefühl hatte, ihn doch gestreift und umgeworfen zu haben, aber es war ihm unmöglich, den Kopf zu drehen und zurückzusehen. Es ging nicht. Auch der Seitenspiegel war vollkommen blind. Dann sah er, wovor ihn der Förster hatte warnen wollen: Eine junge Frau

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