Herzensbrecher auf vier Pfoten
Augen waren dabei auf sie gerichtet, doch Rachel hatte nicht den Eindruck, dass seine Bemerkung scherzhaft gemeint war. »Ich bin zwar kein Modeexperte, aber ich würde Ihnen dringend raten, die Zwinger so lange nicht zu betreten, bis Megan die Hunde gefüttert hat. Andernfalls gehen sie mit einem eleganten Rock hinein und kommen mit einem grauen Stofflappen wieder heraus.«
»Ich bin nicht zum Füttern der Hunde angezogen«, erklärte Rachel kühl. Sie hatte keine Lust auf Männer, die ihre grobe Unhöflichkeit für Humor hielten. »Ich hatte eben einen Termin beim Notar.«
»Natürlich«, griff Freda beruhigend ein. »Ich bin mir sicher, dass Sie etwas Passendes in Dots Schränken finden werden, das sie sich schnell überziehen können. Wenn Sie Hilfe brauchen, fragen Sie einfach.« Sie drückte Rachels Hand. »Ich bin beinahe täglich hier und helfe bei der Versorgung der armen Kleinen. Das ist unsere Art und Weise, uns an Pippin zu erinnern. Pippin war einer von Dots Schützlingen, nicht wahr, Ted? Es war, als wäre er ein Engel gewesen, den uns der Himmel geschickt hat.«
»Er war ein Yorkshireterrier, der uns von einer Welpenfarm in Wales geschickt wurde«, widersprach George. »Er hatte als Deckrüde in einem Harem von vollkommen überzüchteten Hündinnen versagt, wenn ich mich recht erinnere.«
Freda ignorierte seine Bemerkung. »George ist ein hervorragender Tierarzt. Aber er muss noch eine Menge lernen, bis er den Charme seines Vaters besitzt«, fuhr sie fort. »Hören Sie ihm besser gar nicht erst zu, Rachel. Ich habe gleich auf den ersten Blick gesehen, dass Sie definitiv eine Hundefreundin sind. Schauen Sie nur, wie schnell Gem Gefallen an Ihnen gefunden hat!«
Rachel sah an sich hinunter und merkte erst jetzt, dass sich der Collie zu ihren Füßen niedergelassen hatte, die lange Schnauze auf den Vorderpfoten ausgestreckt. Schon klebten weiße Haare an ihren Beinen und hefteten sich an den Rock, der nur chemisch gereinigt werden durfte. »Oh! Bin ich aber leider nicht. Ich hatte nie einen Hund. Ich bin beruflich viel unterwegs und habe daher nicht die Zeit …«
Ich will nicht derart gebunden sein. Ich will nicht eingeengt werden. Das ist das Tolle an Oliver und mir – es gibt keine feste Bindung, keine langweiligen Verpflichtungen.
War das Tolle, korrigierte sie sich.
»Gem reagiert aber nicht auf jeden so zutraulich«, erklärte Freda, als hätte sie nicht zugehört. »Er muss es ja schließlich wissen. Hunde spüren so etwas, nicht wahr? Pippin wusste immer schon im Voraus, ob es Regen geben würde. Dann vergrub er sein kleines Köpfchen unter einem Kissen und versteckte sich. Er war ein hochintelligenter Hund. Als hätte er eine Eingebung von oben gehabt, nicht wahr, Ted?«
»Ganz genau.«
»Pippin hat sogar Lotto gespielt«, fuhr George fort, der Rachels ungläubigen Blick bemerkt hatte. »Ihm haben Freda und Ted ihren Wintergarten zu verdanken. Darin hatte er sogar ein eigenes Sofa, nicht wahr? Von dem aus hat er sich im Fernsehen immer Tennis angeschaut.«
»Erinnern Sie mich nicht daran«, erwiderte Freda und putzte sich ergriffen die Nase. »Es ist so einsam dort ohne ihn.«
Ted nahm sich ein weiteres Stück Kuchen.
»Mir ist klar, dass du nicht gerade passend gekleidet bist, aber soll ich dir mal die Zwinger zeigen?«, fragte Megan. »Danach kannst du es dir dann hier ein wenig gemütlich machen. Oder was auch immer du anschließend gern tun würdest.«
Rachel hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie so wenig vorbereitet war. Man erwartete von ihr, dass sie Pläne hatte. Zumindest sah sie so aus, als sollte sie tatsächlich Pläne haben, wenn sie schon als Nachlassverwalterin herkam, um Dots Leben auseinanderzunehmen und aufzuteilen, und das in einem Aufzug, als würde sie einer Einladung zu einem Frühstück folgen. Doch sie hatte keine Pläne. Im Gegenteil: Sie fühlte sich konfus angesichts des Testaments, der Geldsorgen und der Dinge, die sie eigentlich hätte sagen sollen, wenn sie nicht so überwältigt gewesen wäre. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie im Augenblick einen simplen Einkauf im Supermarkt hätte meistern können.
»Megan, kannst du den Hunden nicht sagen, dass sie einfach mal zehn Minuten lang nicht haaren sollen?«, schlug George mit einem aufgesetzten, rechthaberischen Ton vor. »Und wenn du schon dabei bist, dann nimm doch gleich einen Lufterfrischer mit. Diese Landluft hier kann einem kultivierten Städter einen ganz schönen Schreck
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