Herzensbrecher auf vier Pfoten
ihrem Bett – all das schien seit einer Ewigkeit einfach zu ihrem Leben dazuzugehören. Wie konnten sie ihn da in die Auffangstation zurückschicken und ihm das Gefühl vermitteln, er habe wieder eine Familie enttäuscht und sei nicht liebenswert? Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als sich seine Ungezogenheit zu einem leichten Sinn für Übermut abgekühlt hatte.
Natalie presste die Hand auf den Mund und zwang sich dazu, wie die Geschäftsfrau zu denken, die sie einmal gewesen und immer noch war. Doch es brach ihr das Herz – nicht zuletzt deswegen, weil es ihr unmöglich erschien, den traurig dreinschauenden Bertie von ihrem ebenso traurig dreinschauenden Ehemann zu trennen.
»Nat«, fing Johnny an, »ich habe nachgedacht, und …«
An der Haustür klingelte es, und sofort sprang Bertie auf, warf den Kopf in den Nacken und jaulte los.
»Was?« Natalie versuchte, das Heulen zu übertönen.
»Ist nicht weiter wichtig.« Johnny schwang die Beine vom Sofa, doch Natalie hielt ihn am Arm fest.
»Doch, es ist wichtig. Die Tür kann warten. Was wolltest du mir sagen?«
Johnny schüttelte den Kopf. Bertie schnüffelte so intensiv, als könne er den Gast durch die dicken Backsteinwände und die Haustür hindurch identifizieren.
Wenn es jemand von der Schule war oder ein Spendensammler, dann würde Johnny eine halbe Ewigkeit an der Tür stehen, da er ein höflicher Gesprächspartner war. Natalie jedoch nicht.
»Ich gehe schon«, rief Natalie und lief durch den Flur.
Als sie öffnete, standen zu ihrer großen Überraschung Rachel und Gem vor der Tür.
»Hi!« Die Anspannung in Rachels Blick ging Natalie durch Mark und Bein. »Kann ich kurz reinkommen? Oder ist es gerade ungünstig?«
Natalie schüttelte den Kopf. Sie hoffte, dass Rachel nicht hergekommen war, um mit ihr über die Schwangerschaft zu reden. Das wäre … Sie schüttelte sich und schob den Gedanken beiseite.
»Nein«, erwiderte sie, »alles in Ordnung. Komm doch herein.« Sie stieß die Haustür weit auf. Bertie stürzte jedoch nicht wie gewohnt vor, um an Gem zu schnuppern, sondern versteckte sich wie ein scheues Kleinkind hinter Natalies Beinen.
»Jetzt sei nicht albern, Bertie!«, rief Natalie ein wenig beschämt. »Das ist Rachel! Tut mir leid, Rachel.«
Sie trat einen Schritt zurück, um Rachel hereinzulassen. Zusammen mit Gem gingen sie in die Küche, wo Johnny gerade Tee zubereitete.
»Setz dich doch«, sagte Natalie und holte die Keksdose hervor. Bertie schlich zu seinem Kissen und beäugte Gem misstrauisch. »So, worum geht’s? Um den Tag der offenen Tür?«
Rachel ließ sich auf einen Stuhl nieder und betrachtete Natalie und Johnny. Dann stützte sie sich auf die Ellbogen und vergrub das Kinn in ihren Händen.
»Ich will nicht um den heißen Brei herumreden«, erklärte sie schließlich. »Über die Website habe ich eine Anfrage für Bertie bekommen. Um ehrlich zu sein, sogar mehrere.« Sie lächelte zaghaft. »Er scheint sehr beliebt zu sein. Ich habe sein Profil erst vor zwei Nächten hochgeladen, trotzdem hat er seitdem mehr Anfragen gehabt als alle anderen Hunde.«
Natalie verschlug es die Sprache. Ihre Hände klammerten sich an die Keksdose.
»Ich habe mich mit allen Interessenten in Verbindung gesetzt«, fuhr Rachel fort. »Ich wollte zuerst sicherstellen, dass alle ein echtes Interesse haben, bevor ich euch informiere. Ein paar von ihnen habe ich mit einigen Horrorgeschichten über Basset Hounds schon in die Flucht geschlagen. Ich habe erzählt, wie er auf deinen Laptop gesabbert hat und dass er gerne Essen stibitzt.« Ihr Blick wurde traurig. »Aber ein Ehepaar mit zwei anderen Bassets aus dem Heim ist ernsthaft daran interessiert, ihn zu sich zu nehmen. Ihr Garten ist riesig groß, er hätte den ganzen Tag lang Gesellschaft und genügend Dinge, die er beschnuppern kann.«
»Klingt perfekt«, murmelte Johnny dumpf.
»Ich weiß. Jedenfalls wollen sie zum Tag der offenen Tür kommen und dort Bertie kennenlernen. Um ehrlich zu sein, habe ich sie bis dahin vertröstet, damit ihr mehr Zeit zum Nachdenken habt.«
»Oh.« Natalies Stimme klang tränenerstickt. Sie brachte esnicht übers Herz, zum Hundekörbchen zu sehen. Sie wusste, dass Bertie sie anschaute und ihnen zuhörte. Seinen Blick hätte sie jetzt nicht ertragen können.
»Ich weiß, dass ihr beide Bertie liebt, aber ich konnte einfach nicht nein sagen.« Rachel schaute sie an. »Wenn du wieder arbeiten gehst, wird er den ganzen Tag über allein sein.«
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