Herzensbrecher auf vier Pfoten
Sie hielt inne. »Du willst doch wieder arbeiten, oder?«
Natalie biss sich auf die Lippe und fragte sich, was sie antworten sollte. »Wir wissen es noch nicht«, platzte es plötzlich aus Johnny heraus.
Natalie drehte sich zu ihm um und sah ihn an.
»Wir wissen es noch nicht, oder?«, wiederholte er.
Beschämt ließ Rachel den Blick von Johnny zu Natalie schweifen. »Entschuldigung – habe ich da vielleicht etwas falsch verstanden? Ich dachte, du hättest dir ein Sabbatjahr genommen, Natalie! Hat sich daran irgendetwas geändert?« Hoffnungsvoll zog sie die Augenbrauen hoch. Natalie wusste nur allzu gut, welche Frage eigentlich dahinterstand: Ob sie etwa schwanger war?
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Natalie. »Im Augenblick scheint sich einfach alles zu verändern.«
Als das Wasser endlich kochte, goss Johnny den Tee auf und überbrückte somit die peinliche Stille.
»Milch? Zucker? Einen Keks?«, fragte er, und Rachel murmelte eine Antwort.
Darum lieben es die Engländer, Tee zu trinken, dachte Natalie trostlos. Damit überbrückt man notwendige, harte Antworten. Ihr ging so vieles durch den Kopf, und sie konnte beim besten Willen nicht sagen, was davon am wichtigsten war: ein Baby, dieser Job, Johnny, Bertie, ihr Seelenfrieden, ihre Karriere – was davon sollte oberste Priorität haben?
Konnte sie sich mit dem Wissen, viel Zeit für eine Fruchtbarkeitsbehandlung zu benötigen, einem Zwölfstundentag stellen, den sie während des ersten Jahres voll durchziehenmusste, um sich einzuarbeiten? Mit welchem Recht durfte sie eine solche Behandlung zurückstellen, um sich zuerst ihrer Karriere zu widmen und dabei zu wissen, dass es nur noch schwieriger und anstrengender werden würde? Was würde das für Johnny bedeuten?
Gegen ihren Willen drehte sich Natalie um und sah, wie Bertie sie von seinem Körbchen aus beobachtete. Ihr Herz schmolz dahin, als sie das grenzenlose Vertrauen in seinem Blick bemerkte. Sie war hin- und hergerissen zwischen ihren Pflichten.
Es geht einzig und allein darum, ihn glücklich zu machen, ermahnte sie sich. Diese neuen Besitzer werden ihn genauso lieben, wie wir ihn lieben. Ich sollte meine Karriere nicht einem Hund opfern, den ich erst seit ein paar Wochen besitze.
Als sie sich wieder Rachel zuwandte, ertönte eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf, die murmelte, dass es hier nicht nur um Bertie ging. Es ging um etwas noch sehr viel Größeres, Wichtigeres.
24
E igentlich hätte Rachel einen Schwangerschaftskalender anlegen sollen, wie es ihr die junge, eifrige Hebamme geraten hatte. Stattdessen jedoch bemaß sie die Zeit anhand von Hunden, die vermittelt, und Hunden, die als Neuzugänge eingeliefert wurden. Dies lenkte sie von all den schlimmen Dingen ab, die laut Internet in ihrem Inneren möglicherweise passieren konnten; außerdem verlieh es ihr das Gefühl, etwas Sinnvolles mit ihrer Zeit anzustellen.
Zwischen dem Anruf bei Val und dem Essen, bei dem sich ihre Eltern und George kennenlernen sollten, hatten Rachel und Megan zwei der Staffordshire Terrier, Treacle, die Labradorhündin, sowie Oskar, den herrenlosen Dackel, den George vorbeigebracht hatte, vermittelt.
Tatsächlich hatte der kleine Dackel das beste Zuhause von allen erwischt. Da er zu nervös gewesen war, um ihn mit den anderen Hunden zusammen in den Zwinger zu lassen, hatte Rachel ihm einen großen, offenen Korb nahe dem Schreibtisch hingestellt, wo er dennoch ein wenig Gesellschaft genoss. Als Freda in ihren roten Gummistiefeln zum ersten Mal hereinmarschiert war, hatte er sich voller Panik unter dem Schreibtischstuhl verkrochen. Ihre Stimme hatte ihn jedoch sofort zu beruhigen vermocht. Als sich Freda dann am Ende ihrer Schicht ihren Schal umwickelte, um Ted aus der Imbissstube nach Hause zu zerren, hatte Oskar längst sein Versteck verlassen und war zu ihrem Tisch umgezogen, von dem aus er mit seinen Knopfaugen, die unter den buschigen Augenbrauen hervorblitzten, jedem Schritt von ihr folgte.
»Freda«, begann Rachel, »Sie wissen, dass ich so etwas nicht oft sage, aber es sieht ein Blinder, dass sich hier zwei gesucht und gefunden haben.«
»Oh, ich weiß nicht …«, erwiderte Freda, doch Rachel bemerkte ein Lächeln in ihrem Gesicht, als Freda Oskars Bart betrachtete. Und auch Oskar schien zu lächeln. Als würden die beiden sich schon eine halbe Ewigkeit kennen.
»Könnten Sie nicht wenigstens einmal darüber nachdenken, ihn in Pflege zu nehmen?«, fuhr Rachel in dem plötzlichen Bestreben
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