Herzensbrecher auf vier Pfoten
seiner Seite hätte führen können.
»Es tut mir leid.« Val wischte sich die Tränen ab, nachdem Rachel verstummt war. »Oh, die arme Dot. Und mit dieser Geschichte musste sie all die Jahre leben! Ich hatte ja keine Ahnung! Aber ich bin froh, dass du es mir erzählt hast. Ich habe immer mir die Schuld für unser schlechtes Verhältnis gegeben.«
»Warum?« Rachel hielt den Atem an. War dies das schreckliche Ereignis, das sie Ken nicht hatte erzählen wollen? Sollte sie ihren Eltern gegenüber vielleicht eine Generalamnestie erlassen und dann sehen, welche weiteren Geheimnisse noch ans Licht kamen?
Vielleicht lieber nicht.
»Ich dachte, ich hätte Dot verflucht. Bei Amelias Taufe.« Val rührte in ihrem Cappuccino, bis der Schaum verschwunden war.
Das war ziemlich gewagt, dachte Rachel. Selbst für Mums masochistisch-passive Aggressionen. Ein Fluch. Wow. »Willst du mir davon erzählen?«
Val schaute auf. »Ich denke, ich kann dir davon erzählen, da du nun selbst ein Baby bekommst.« Sie schien erfreut zu sein, als wäre ihr diese Tatsache erst jetzt in den Sinn gekommen, doch dann schaute sie plötzlich schuldbewusst drein. »Du wirst dich nicht mehr daran erinnern, weil du noch ganz klein warst, aber es war an jenem Tag sehr heiß. Ich hatte mir ein neues Kleid gekauft, da Dorothy uns mit ihrer Gegenwart beehren und diesen neuen Mann mitbringen wollte, von dem wir schon so viel gehört hatten …«
»Das Kleid mit ähnlich großen Blumen, wie sie auf Omas Badezimmertapete gedruckt waren?« Rachel deutete auf Val. »Hast du dazu nicht diesen UFO-ähnlichen Hut getragen?«
»Das Kostüm war sehr teuer«, erklärte Val beleidigt. »Undsehr modisch. Aber neben Dot wirkte ich einfach wie eine fette alte Hausfrau.« Sie seufzte. »Ich war eine fette alte Hausfrau. Sie dagegen sah zehn Jahre jünger aus, und alle haben sich auf sie gestürzt – ›Oooh, Dorothy, erzähl uns von London!‹ –, obwohl es mein großer Tag war. Ich meine natürlich, obwohl es Amelias großer Tag war. Unser Tag als Familie! Und dann ist dir plötzlich schlecht geworden von den Süßigkeiten, die sie dir mitgebracht hat, und du hast dich übergeben. Danach hast du dann deine Hände an meinem Kleid abgewischt, sodass ich früh mit dir nach Hause fahren musste.«
»Daran kann ich mich nicht erinnern«, stellte Rachel fest. Offenbar wusste auch Dad nichts mehr davon.
Val spitzte die Lippen und seufzte. »Ich bin in die Hotelbar gegangen, wo alle um Dot und Felix versammelt waren und ihr zuhörten, wie sie von den Rolling Stones und irgendeinem Nachtclub erzählte, den sie zusammen besucht hatten. Ich habe versucht, mich von allen zu verabschieden, doch niemand hat mir Aufmerksamkeit geschenkt. Und dann hat auch noch Dorothy gerufen: ›Geht’s jetzt wieder zurück ins Kinderzimmer, Mummy?‹, als sei es eine Strafe.«
Vals Miene verfinsterte sich, und Rachel konnte deutlich den Schmerz sehen, der ihr ins Gesicht geschrieben stand. So hatte sie ihre Mutter noch nie erlebt, derartig aufgewühlt. Rachel hätte ihr gern gesagt, dass Dots gedankenloser Kommentar einer der schmerzlichen Witze war, die sie selbst oft genug gemacht hatte, um ihre Verlegenheit in der Gesellschaft glücklicher Mütter zu überspielen, doch Val hing ihren Erinnerungen nach.
»Und die Sache war die …« Val verzog den Mund. »Just in diesem Augenblick fühlte es sich tatsächlich wie eine Strafe an. Ich habe euch zwei geliebt, mehr als alles andere auf der Welt, aber es war ein hartes Stück Arbeit, zwei Kinder unter drei Jahren großzuziehen. Ich habe nie mehr als zwei Stunden am Stück geschlafen. Jahrelang habe ich nach Erbrochenem gerochen. Ich wollte in dieser Bar sitzen, in diesem eng anliegenden Hosenanzug, mit meinem eigenen Geld in der Tasche! Ich hätte es geliebt ! Und dann habe ich etwas gesagt, was ich besser nicht gesagt hätte.« Sie biss sich auf die Lippe, als wolle sie damit verhindern, die Worte auszusprechen.
»Was hast du denn gesagt?« Rachel holte tief Luft.
»Ich habe Dot angesehen und gesagt: ›Du wirst niemals wissen, was wahre Liebe ist, Dorothy, bis du einmal selbst Kinder hast. Die wirst du aber nie bekommen, weil du dafür einfach zu egoistisch bist.‹« Zerknirscht starrte Val Rachel an. »Meiner eigenen Schwester habe ich diese Worte an den Kopf geworfen, und ich meinte es auch so – aber nur in jenem Augenblick. Im nächsten Moment hätte ich mir dafür die Zunge abbeißen können!«
»Ich bin sicher, dass sie es
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