Herzensbrecher auf vier Pfoten
nachjagten.
6
A ls die Jungs am Montagmorgen in ihren Zimmern die Schultaschen packten und damit außer Hörweite waren, trank Zoe schnell einen Schluck heißen Kaffee, um ihre Stimme heiser klingen zu lassen. Dann wählte sie in der Küche die Nummer des Friseursalons. Auf keinen Fall sollten die beiden mitbekommen, wie sie gleich Hannah, der Empfangsdame, die schändliche, aber leider zwingend notwendige Lüge auftischen würde.
Während es klingelte, behielt Zoe den behelfsmäßigen Stall aus Pappkartons im Blick, wo Toffee gerade sein zweites Schläfchen innerhalb von sechsunddreißig strapaziösen, nervenaufreibenden Stunden abhielt.
Wenigstens hoffte Zoe inständig, dass er schlief. Vielleicht hatte er aber auch nur die Augen geschlossen, solange er überlegte, welchen Teil ihres Hauses er als Nächstes zerstören wollte. Schwer zu sagen, wer aufgeregter war – Toffee, Spencer oder Leo. Die drei zusammen waren wie ein Wirbelsturm, der eine Spur der Verwüstung hinterließ. Das Wohnzimmer sah aus, als hätte eine Abrissbirne eingeschlagen, und überall flogen Fetzen der Küchenrolle umher, mit der sie die zahlreichen »Malheure« seit Toffees Einzug aufgewischt hatte.
Wer hätte gedacht, dass aus einem so kleinen Hund so viel Pipi herauskommen konnte?
»Hallo, Hannah«, grüßte sie, als sie hörte, wie ihr Anruf auf den Lautsprecher geschaltet wurde. »Hier ist Zoe.Ich werde wohl heute nicht kommen können. Ich habe ein furchtbares Wochenende hinter mir. Seit zwei Tagen habe ich keine Auge zugemacht …«
Toffee begann, in seiner Kiste herumzuzappeln, und fiepte fröhlich, als er Zoe entdeckte. Ihr wurde das Herz schwer, als er sich mit den Pfoten am Rand des Pappkartons abstützte.
»Du hörst dich auch richtig schlecht an, Zoe«, erwiderte Hannah. Zoe hörte, wie der Salon geputzt und aufgeräumt wurde; im Hintergrund plärrte das Radio. »Soll ich deine heutigen Termine verschieben?«
»Würdest du das erledigen? Ich bin sicher, dass es nur ein Virus ist, aber ich will euch nicht auch noch anstecken«, erklärte Zoe und griff in die Keksdose, während sie gleichzeitig den Pappkarton im Auge behielt und mit einem Ohr dem Lärm lauschte, der oben im Badezimmer ertönte. Die Jungs putzten sich in rekordverdächtiger Zeit die Zähne, um so schnell wie möglich wieder mit Toffee spielen zu können.
»Ich sage Bescheid, wie es mir morgen geht, ja? Tschüss!« Noch während Hannahs Genesungswünsche nachklangen, legte Zoe schnell den Hörer auf.
Die saubere Backofentür spiegelte ihre schuldbewusste Miene wider.
Seit Jahren hatte sich Zoe nicht mehr krankgemeldet und sich sogar trotz schwerer Zusammenbrüche, schlafloser Nächte, weil die Jungs Zähne bekamen, und hohen Schnees stets in den Salon geschleppt. Marion ist mir ein paar Krankentage schuldig, ermahnte sich Zoe, obwohl ihr schlechtes Gewissen nicht nachlassen wollte – ebenso wie die bleierne Müdigkeit, die ihr in den Knochen steckte. Zoe war es durchaus gewohnt, mit zahnenden Kleinkindern und Alpträumen zurechtzukommen – nicht jedoch mit einem nächtelangen Gejaule.
Zoe trat in den Flur. »Spencer! Was treibt ihr da oben? Kommt runter, wir kommen sonst zu spät!«
Als sie nach oben rief, ertönte hinter ihr wieder Toffees Gejaule, ein Klang, der Zoe durch Mark und Bein ging.
Sie blickte zu dem wimmernden Toffee hinüber und wusste sofort, was dies zu bedeuten hatte. Sie begrub das Vorhaben, sich zwei Scheiben Toast in den Toaster zu stecken. Stattdessen schnappte sie sich Toffee, rannte mit vier großen Schritten zur Gartentür und beförderte ihn nach draußen. Trotzdem landete die Hälfte des warmen Pipis auf ihr. Zoe setzte Toffee auf den Boden und wusch sich zum hunderttausendsten Mal die Hände.
»Braver Junge«, lobte sie ihn dennoch, als Toffee an der Treppe zum Garten schnüffelte. »Da hast du fein Pipi gemacht!«
Dies hatte sie in den zehn Minuten gelernt, in denen sie einen Artikel über Hundeerziehung im Internet überflogen hatte. Man sollte die Welpen am besten jede Stunde einmal nach draußen lassen, sie loben, wenn sie ihr Geschäft wie vorgesehen dort verrichteten, und einen nicht zu peinlichen Ausdruck finden, mit dem sie ihr Geschäft verbinden würden. Bisher hatte Toffee wohl nur gelernt, sich immer dann zu erleichtern, wenn jemand schrie: »O Gott, bloß nicht da!«
Argwöhnisch beäugten Zoe und Toffee einander.
»Wo soll ich dich bloß lassen, während ich in den Läden all die Sachen kaufe, für die
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