Herzensbrecher auf vier Pfoten
Zeitaufwand? Mit der Arbeit? Der Tatsache, dass sie einen Vollzeitjob hatte?
Als könne Spencer ihre Gedanken erraten, meldete er sich zu Wort. Mit einem Mal hatte er sich vom typisch trotzigen Bengel in einen engelsgleichen, braven Jungen und Hundebesitzer verwandelt. »Ich werde mich auch jeden Abend um ihn kümmern!«, erklärte Spencer. »Ich mache sein Körbchen sauber und tue alles für ihn! Bitte, Mum, bitte!«
Der Wecker, den Zoe jeden Morgen stellte, damit sich die Jungs pünktlich zur Schule aufmachten, schrillte los und ließ sie aufspringen.
»Wir müssen los«, erklärte Zoe und geriet in Panik, schon wieder die letzte Mutter am Schultor zu sein. Toffee müsste dann eben eine Stunde lang in der Küche bleiben, deren Tür sie sicherheitshalber verschließen würde. Denn was könnte er dort schon groß anrichten? Alle Steckdosen waren immer noch mit einer Kindersicherung versehen. »Setzt Toffee bitte in seine Kiste – bitte, Leo, lass das, heb ihn nicht schon wieder hoch. Nach dem Frühstück braucht er ein wenig Schlaf. Habt ihr die Schuhe an? Dann zieht schnell die Jacken über. Hast du die Turnschuhe für den Sportunterricht eingepackt, Spencer?«
Spencer eilte los, um seinen Turnbeutel zu holen, während Leo immer noch über Toffees Kiste lehnte, den Hund küsste und ihm etwas in das samtige Ohr flüsterte.
»Leo, komm schon!« Zoe suchte hektisch nach ihrem Hausschlüssel. »Wir sind spät dran!«
»Ich bin so froh, Mummy«, erklärte Leo.
»Warum, mein Süßer?«
»Weil wir jetzt einen Hund haben!« Leo schaute zu ihr auf; ihm stand die Freude in das engelhafte Gesicht geschrieben. »Dad hat uns gesagt, du würdest uns dazu zwingen, denHund zurückzugeben. Hast du aber nicht, darüber freue ich mich! Toffee darf bleiben, nicht wahr?«
O Gott, dachte Zoe, sogar Leo weiß schon, wie leicht ich zu manipulieren bin. Dabei ist er nicht einmal sechs Jahre alt.
Zoe fuhr die Jungs zur Schule und danach zu dem großen Tiermarkt im Gewerbegebiet; dabei ging sie kurz auf Tauchstation, als sie auf dem Weg am Heavenly Beauty Salon vorbeikam. Währenddessen hatte sie sämtliche Schreckensbilder vor Augen, was Toffee wohl alles zerstören würde. Bislang gab es schon ein Paar Flip-Flops sowie eine Fernbedienung zu beklagen.
Sie bog in die erste freie Parklücke ein und wählte zum zehnten Mal seit der Rückkehr der Jungs Davids Handynummer, doch David meldete sich nicht. Was Zoe nicht sonderlich überraschte, da David in letzter Zeit recht wählerisch geworden war, welche Anrufe er annahm oder welche er lieber ignorierte, weil er sich angeblich »in einem Meeting« befand. So war er schon immer gewesen, aber allmählich befürchtete Zoe, dass er sich eine neue Handynummer zugelegt haben musste.
Zoe ließ sich in den Sitz zurückfallen und merkte, wie Panik in ihr aufstieg. Die Zeit lief ihr davon. Was sollte sie tun? Wen könnte sie um Hilfe bitten? Keiner ihrer Freunde besaß einen Hund, mal abgesehen davon, dass es im Grunde nicht um Hunde ging, sondern um sie, David und die Jungs.
Zoe atmete dreimal tief durch, um die Hysterie zu unterdrücken, die sich in ihrer Brust breitmachen wollte und drohte, ihr die Kehle zuzuschnüren. Solche Anfälle erlitt sie in letzter Zeit immer häufiger – seit David sie verlassen hatte und unwiderruflich klar war, dass es sich bei der Trennung nicht etwa um eine zeitlich begrenzte Midlife-Crisis handelte, sondern um die bittere Realität. Es fiel Zoe immer schwerer, dies vor den Jungs zu verbergen. Doch sie musste es verbergen. Alles musste so aussehen, als käme sie mit allem so gut zurecht wie in der Vergangenheit.
Sie klappte die Sonnenblende herunter und starrte in den Spiegel, als habe sie eine Freundin vor sich. »Du holst jetzt nur das, was du im Augenblick brauchst«, befahl sie ihrem zerzausten Spiegelbild. »Nur das Nötigste, damit Toffee zufrieden ist. Danach kannst du David anrufen, ihm sagen, dass es zu viel ist, dass du damit nicht fertig wirst, und dann …«
Sie hielt inne. Ich muss aufhören, Selbstgespräche zu führen, dachte sie. Die weit auseinanderstehenden braunen Augen im Spiegel verloren ihren wahnsinnigen Ausdruck und betrachteten sie mitleidig. Zoe und ihr Spiegelbild wussten nur allzu gut, dass es dieses »und dann« nicht geben würde.
Die Jungs wollten den Hund unbedingt, und es wäre unfair, einen Welpen wieder seiner Familie zu entreißen. Wenn sie David dazu brächte, Toffee zurückzunehmen, würden alle sie für die böse,
Weitere Kostenlose Bücher