Herzensbrecher: Roman (German Edition)
Maxine freute sich, wenn es gemütlich zuging. Während der Woche kamen Ruhe und Behaglichkeit oft zu kurz. Meistens war sie morgens in Eile und hastete ins Krankenhaus, um dort Patienten zu besuchen, bevor sie in die Praxis ging. Wenn die Kinder um acht in die Schule mussten, war sie oft schon fort. Doch abgesehen von seltenen Ausnahmen gelang es ihr, abends gemeinsam mit den Kindern zu essen.
Sie erinnerte Sam daran, dass er heute bei einem Freund übernachten wollte. Jack würde ebenfalls bei einem Freund bleiben, und Daphne setzte ihre Mutter davon in Kenntnis, dass sie drei Freundinnen eingeladen hatte. Sie wollten sich einen Film anschauen … und vielleicht würden auch ein paar Jungs vorbeischauen.
»Wir haben wohl ein neues Kapitel aufgeschlagen«, stellte Maxine fest und sah ihre Tochter neugierig an. »Jemand, den ich kenne?« Daphne schüttelte gereizt den Kopf und verließ die Küche. Diese Frage verdiente offenbar keine Antwort.
Maxine spülte das Geschirr ab und stellte es in die Spülmaschine. Eine Stunde später war sie mit den Kindern auf dem Weg in den Park. Im letzten Moment hatten sich die beiden Großen entschieden mitzukommen. Sie hatten zwei Rodelteller aus Kunststoff dabei. Daphne und Maxine setzten sich auf Mülltüten und rutschten gemeinsam mit den Jungs und anderen Kindern den Hügel hinunter. Alle quietschten vor Vergnügen. Es schneite immer noch. Maxine war froh, dass sich ihre drei ab und zu noch wie kleine Kinder benahmen, auch wenn sie gern vorgaben, schon erwachsen zu sein. Sie blieben bis drei Uhr nachmittags im Park und machten sich dann gut gelaunt auf den Heimweg. Zu Hause bereitete Maxine für alle heiße Schokolade mit Schlagsahne zu. Es war ein schönes Gefühl, dass alle die Rituale der Kindheit immer noch genossen.
Um fünf Uhr nachmittags setzte sie erst Sam bei seinem Freund ab und gegen sechs dann Jack. Sie war rechtzeitig wieder zu Hause, um Daphnes Freundinnen zu begrüßen, die einen Stapel Videos mitbrachten. Es waren zwei Freundinnen mehr als geplant. Um sieben bestellte Maxine für die Mädchen Pizza. Sam rief an, um zu fragen, »wie es ihr ginge«. Aus Erfahrung wusste sie, was das bedeutete. Wahrscheinlich würde Sam doch nicht bei seinem Freund übernachten. Manchmal warf er seine Pläne über Bord und wollte lieber nach Hause, um in seinem eigenen Bett oder bei seiner Mom zu schlafen. Es gehe ihr gut, entgegnete sie, und Sam ließ sie wissen, dass es ihm ebenfalls gutgehe. Lächelnd legte Maxine auf und lauschte einen Augenblick auf das Kichern, das aus Daphnes Zimmer drang. Dort waren sicher Jungs Gegenstand der Erheiterung.
Als die Mädchen später in der Küche die Pizzen fast vertilgt hatten, standen plötzlich zwei dreizehnjährige Jungs vor der Tür, die sich in ihrer Haut sichtlich unwohl fühlten. Sie verschlangen die Reste der Pizza und machten sich unter gemurmelten Entschuldigungen schon nach ein paar Minuten aus dem Staub. Die Mädchen waren eindeutig in der Überzahl gewesen und wirkten außerdem wesentlich reifer. Sobald die Jungs fluchtartig die Wohnung verlassen hatten, eilten die Mädchen in Daphnes Zimmer, um die jüngsten Ereignisse zu besprechen.
Maxine hörte sie immer noch kichern und lachen, als gegen elf das Telefon klingelte. Das war vermutlich Sam, der abgeholt werden wollte. Lächelnd nahm Maxine den Hörer und erwartete, die Stimme ihres jüngsten Sohnes zu vernehmen.
Stattdessen meldete sich eine Krankenschwester aus der Notaufnahme des Lenox Hill Hospitals. Maxine runzelte die Stirn und war sofort hoch konzentriert. Es ging um einen ihrer Patienten. Fachkundig stellte sie ein paar Fragen zum Zustand des Jungen. Jason Wexler war sechzehn Jahre alt. Vor einem halben Jahr war sein Vater an einem Herzinfarkt gestorben. Bereits zehn Jahre zuvor war seine ältere Schwester bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Jetzt hatte Jason die Schlaftabletten seiner Mutter geschluckt. Er litt unter Depressionen und hatte kurz nach dem Tod seines Vaters schon einmal versucht, sich das Leben zu nehmen. Jason hatte sich an dem Abend, bevor sein Vater starb, heftig mit ihm gestritten. Seither war der Junge davon überzeugt, dass er schuld am Tod seines Vaters war.
Die Krankenschwester berichtete, dass Jasons Mutter kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehe. Jason war bei Bewusstsein, sein Magen wurde soeben ausgepumpt. Er würde durchkommen, aber dieses Mal war er dem Tod nur um Haaresbreite entgangen. Er hatte eine Menge Tabletten
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