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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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immerhin schon sechzehn.
    Wir schalten das Licht aus und tasten uns durch den dunklen Flur, in dem es wohl gar keine Lampe zu geben scheint. Die Tür fällt hinter uns ins Schloss. Den Schlüssel hat Hanna drinnen liegen gelassen. Ist auch gar nicht nötig, die Tür abzuschließen. Ein kleiner Tritt dagegen, und sie wird sich öffnen und den ungebetenen Besucher einlassen in diese Oase der Gastlichkeit.
    Ich bin enorm erleichtert, als wir endlich auf der Straße stehen und in Richtung U-Bahn gehen. Ich habe eine Telefonkarte dabei und denke kurz daran, Mama und Papa anzurufen und auch Hannas Eltern von ihren Qualen zu erlösen. Einschieben. Wählen. Telefonieren. Das steht auf der Karte. Das Problem ist nur, eine Telefonzelle zu finden, in der das Telefon funktioniert. Papa hat die Karte für mich gekauft, nachdem er mir zum hundertsten Mal ein Handy verwehrt hat. Ich schüttele den Kopf, wenn ich daran denke, dass Kalli eines in die Alster geworfen hat.
    »Hast du Schluss gemacht mit Kalli?«, frage ich.
    Hanna schnieft neben mir und schweigt. Sie könnte
mir ruhig ihr Herz ausschütten, nachdem ich all die Gefahren auf mich genommen habe, um sie nach Hause zu holen.
    »Willst du zu mir kommen und von da aus deine Eltern anrufen?«
    Diesmal habe ich einen Treffer gelandet. Hanna guckt mich dankbar an.
    Vielleicht ist es ganz gut, mit Hanna gemeinsam bei uns einzulaufen. Das lenkt ab und sie überschütten mich nicht gleich mit Vorwürfen. Auf der Uhr vor der Station der U-Bahn sehe ich, dass es Viertel nach acht ist.

18
    Ich habe es ihr nicht gesagt. In der Bahn nicht. Im Bus nicht. Diesen Satz, den ich im Kopf und im Herzen bewegte. Doch ich blieb stumm. Nichts weiß Hanna von meiner Liebe zu Jan.
    Schwieg ich aus Rücksicht auf ihre zerschrammten Gefühle zu Kalli?
    Nein. Ich kann mir kaum auf die Schulter klopfen. Ich hatte nur große Angst, dass Hanna mir was zerredet. Nur einmal war ich nahe dran. Da guckte sie mich an und sagte, ich sei so anders.
    »Na hör mal«, sagte ich stattdessen, »das verändert einen Menschen, wenn die beste Freundin für Tage verschwindet.«
    »Bin ich noch deine beste Freundin?«, fragte Hanna.

    »Klar«, sagte ich, »willst du es denn sein?«
    »Klar«, sagte Hanna.
    Derart gefestigt in unserem Glauben an die andere, kamen wir dann bei mir zu Hause an. Da war es schon Viertel nach neun. Trotzdem hatte ich diese Aufregung nicht erwartet. Das einzig Gute war, dass die Eltern von Hanna auch an unserem Küchentisch saßen. Jeder hielt sich vor den anderen zurück mit seinen Vorwürfen. Die dreieinhalb Stunden, in denen ich weg gewesen war, reichten meiner Mutter und meinem Vater schon, eine Selbsthilfegruppe der Eltern verschwundener Töchter zu gründen.
    »Hätte ich ein Handy …«, versuchte ich den ersten Teil eines Satzes zu bilden, doch mein Vater unterbrach mich.
    »Das hat uns bei Hanna auch nicht geholfen«, sagte er.
    Hanna erzählte die Geschichte vom Handy in der Alster. Doch der Zorn auf Kalli hielt sich in Grenzen, was weder Hanna noch ich verstanden.
    Schließlich lagen wir uns alle in den Armen vor lauter Glück, dass alles gut ausgegangen war. Diesen Augenblick wählte Andreas aus.
    »Jan war hier«, sagte er.
    Ich erstarrte in der Bewegung.
    »Wer ist Jan?«, fragte Hanna.
    »Ein Freund von Andreas«, sagte ich.
    Ich glaube, keinem ist aufgefallen, dass ich beinah innerlich zersprang. Außer meinem großen Bruder. Mama war zu abgelenkt. Der entgeht sonst nichts, wenn es um Gefühle geht. Dafür hat sie einen Riecher.Wenn sie den nicht hätte, könnte sie gar nicht die ganzen Geschichten
von Herz und Schmerz schreiben. Doch sie goss gerade Tee ein.
    Ja, ich zersprang beinah innerlich. Ich hatte das Gefühl, die große Chance auf eine Liebe verpasst zu haben. Hing im Schanzenviertel herum, während Jan zu mir nach Hause kam.
    »Schön, dass sich da eine Freundschaft entwickelt«, sagte Papa.
    Ich starrte ihn an, doch seine Gedanken gingen ganz andere Wege.
    »Ein sehr kultivierter Junge, dieser Jan«, sagte Papa, »das tut dir gut, Andreas. Kommt ein bisschen zu kurz bei dir, die Kultur.«
    »Er ist mit einer angehenden Schauspielerin zusammen«, sagte Mama.
    Das ließ Papa nicht gelten. Lenas Annäherung an die Kunst nimmt er kaum ernst. Im Augenblick lernt sie Showtanz in der Stage School.
    Ich habe dann kaum noch zuhören können. Der Rest des Abends rauschte an mir vorbei. Als Hanna und ihre Eltern gingen, bin ich in mein Zimmer geschlichen, und hier liege ich

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