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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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zwischen Papa und Mama gebrauchen kann.
    Ich staune immer nur, dass Papa das Leben so schwernimmt und ständig Regeln aufstellt, obwohl er doch Omas Sohn ist. Oma meinte mal, dass Kinder sich immer in Gegenbewegung zu ihren Eltern befänden und dass sie und Opa kaum strenge Regeln gehabt hätten.

    Die beiden heben die Bierdosen und prosten sich zu. Hätte nicht gedacht, dass Papa diese Geste beherrscht. Ich stehe auf, um mir einen naturtrüben Apfelsaft einzuschenken. Hätte mehr Lust auf Bier mit viel Limo. Das mag ich wirklich gern. Doch ich will Papa nicht provozieren. Er scheint sich gerade etwas zu lockern.
    »Sprechen wir über Freiräume«, eröffnet Andreas das Gespräch.
    Papa nimmt einen tiefen Schluck aus der Dose und steht auf.
    »Genau«, sagt er, »mit dem für Adrian ist jetzt Schluss. Euer kleiner Bruder gehört schleunigst ins Bett. Morgen hat er wieder Halsweh.«
    Andreas und ich tauschen einen langen Blick, nachdem Papa die Küche verlassen hat, um Adrian aufzuscheuchen.
    »Er ist und bleibt ein Spielverderber«, sage ich.
    Mein großer Bruder macht eine beschwichtigende Geste.
    »Lass mal«, sagt er, »ich komme schon noch ins Gespräch mit ihm.«

33
    Ich gehe ins Badezimmer und schnappe ein paar Worte aus der Küche auf. Es geht um Personalausweise. Was ist das nun?
    Als ich aus dem Bad komme, sprechen Papa und
Andreas über die Schulpolitik. Ich glaube, das bringt keinen von uns wirklich weiter.
    Es ist schon ziemlich spät, um wach zu sein an einem Dienstagabend. Mama ist noch immer nicht da. Ich nehme an, dass die beiden Männer in der Küche so lange diskutieren werden, bis die Tür aufgeht und Mama nach Hause gekommen ist.
    Ich liege im Bett und kuschle mich an meinen Bären und kann nicht schlafen. Hat sicher mit Mamas Abwesenheit zu tun. Doch auch die Gedanken an diesen Tag halten mich wach. Omas Angebot. Der Besuch bei Jan. Das Theater mit Papa.
    Personalausweise. Vielleicht ging es ja eben in der Küche darum, dass ich noch immer einen Kinderausweis habe und darum für alles zu klein bin. Könnte mir schon vorstellen, dass Papa so argumentiert. Ist ja auch zu blöde, erst mit sechzehn einen normalen Perso zu bekommen. Ich weiß noch, wie aufgeregt Andreas war. Er hatte den Perso schon vor seinem sechzehnten Geburtstag beantragt und stand am Tag danach bei denen auf der Matte. Das ist schon was anderes als ein Kinderausweis. Auf dem Foto in meinem bin ich sechs und habe Zahnlücken. Kann man keinem Menschen zeigen.
    Ich hoffe so sehr, dass Jan mir seine Geschichte erzählen wird. Spätestens, wenn wir in Omas Wohnung sind. Wir könnten uns in Omas großen Sessel kuscheln, der genau an der Terrassentür steht, und auf die Alster gucken, über die der erste Herbststurm weht.
    Die Alster ist dann ganz dunkelgrau. Die Weiden am Ufer biegen sich. Und wir haben es gemütlich. Oma hat so viele kleine Lampen. Kein einziges Deckenlicht. Ich
denke an den Flur in Jans Wohnung, und dass er gesagt hat, sein Vater wolle gar nicht ankommen.
    Hat Jans Narbe mit dem Tod seiner Mutter zu tun? Mein Traum kommt mir in den Sinn, mit dem ich heute Morgen aufgewacht bin. Jans Fall aus einer großen Höhe. Das splitternde Glas. Eine Windschutzscheibe? War es ein Autounfall? Ob er mir ein Foto von seiner Mutter zeigt? Ich finde es schwierig, sich da vorzutasten. Er scheint nicht in der Lage zu sein, darüber zu sprechen, und ich will ihn doch nicht bedrängen.
    Hanna fehlt mir. Der Moment gestern war einer der wenigen guten, die wir in der letzten Zeit hatten.Als ich ihr von Jan erzählte und wir sein Klavierspiel im Ohr hatten, ohne ihn je spielen gehört zu haben. Hoffentlich haben sich ihre Nerven bald erholt und sie kommt wieder in die Schule.
    Ich höre Geräusche im Flur. Mama ist gekommen. Keine Ahnung, wie spät es ist. Ich bin erleichtert. Und auf einmal kommt die Müdigkeit und greift mit großen Samthänden nach mir.

34
    Jan ist nervös. Ich bin es auch.Wir stehen vor Omas Tür. Der erste Herbststurm hat sich ausgerechnet diesen Tag ausgesucht. Wir werden beinah weggeweht. Hier am Schwanenwik sammeln sich alle Winde.
    Ich habe einen kleinen Teddy gekauft. Er sieht meinem
großen sehr ähnlich. Soll ein Talisman sein für Oma, die morgen in die Klinik geht. Jan wollte eine Amaryllis mitbringen. Doch da hätte Oma ja nichts von. Nur wir würden der Blume beim Blühen zusehen, wenn wir in Omas Wohnung sind. An den zwei Wochenenden, die es wahrscheinlich sein werden, und die Stunden, die uns noch an den

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