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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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gefragt worden zu sein.
    »Die Wohnung zum Glänzen bringen«, sagt Papa. »Den Kühlschrank füllen. Ich könnte was bei Kruizenga kaufen. Krabbensalat.«
    »Das ist eine nette Idee«, sagt Mama.
    Jan sucht wieder meinen Blick. Wahrscheinlich geht ihm auch gerade durch den Kopf, ob wir Spuren hinterlassen haben.
    »Willst du gar nichts essen?«, fragt Papa mich.
    Mein Teller ist als einziger leer. Auch das noch. Jetzt
muss ich mir Pellkartoffeln hineinwürgen, obwohl mir der Appetit vergangen ist.
    »Opa denkt darüber nach, im Dezember nach Hamburg zu kommen«, sagt Papa. »Er hat sich doch ziemliche Sorgen um Oma gemacht.«
    »Damit solltest du deine Mutter ganz bestimmt nicht überraschen«, sagt Mama, die nun ernsthaft beunruhigt zu sein scheint.
    »Ich werde sehr vorsichtig mit ihrem Herzen sein«, sagt Papa.
    Mama guckt von ihrem Teller hoch.
    »Hast du vor, deine Eltern zu verkuppeln?«, fragt sie.
    Papa schüttelt den Kopf. »Der Zug ist abgefahren«, sagt er, »ich dachte an nichts anderes als an ihre neue Herzklappe.«

61
    Ich habe dann doch noch eine Kartoffel massakriert, sie liegt mir wie ein Stein im Magen. Jan ist bei Andreas im Zimmer. »Ihr Jungs habt doch sicher noch was zu quatschen«, hat Papa gesagt.
    Ich hätte platzen können. Will Papa mich ärgern? Er weiß doch genau, dass ich für Jan nicht nur Andreas’ kleine Schwester bin. Doch ich hatte keine Traute, was zu sagen. Jan wohl auch nicht. Nachher führt das nur zu neuen Schwierigkeiten und Verboten.
    Was ist eigentlich aus Mamas Freiräumen geworden?
Beziehen die sich nur auf den Kauf von Pizza mit Tomaten und Rucola? Ich hatte gehofft, sie kämpft den Kampf auch für mich.
    Ich schnappe mir den Oxford Companion und gehe zu Andreas ins Zimmer. Mama und Papa sitzen vorm Fernseher.
    »Soll ich mal aufs Klo gehen?«, fragt Andreas.
    »Kann nicht schaden nach all den Kartoffeln«, sage ich.
    Andreas grinst und geht.
    Jan springt von dem Sitzsack hoch. »Der dritte Schlüssel«, sagt er, »ich hab das zuerst gar nicht kapiert.«
    »Und nun?«, frage ich. »Was wird aus unserem Wochenende?«
    »Du vergisst, dass mein Vater nach Husum fährt«, sagt Jan.
    Ich seufze. Das ist immerhin eine Möglichkeit, wenn auch kaum zu vergleichen mit unserem Idyll bei Oma.
    »Du kennst mein Zimmer noch gar nicht«, sagt Jan, »das fängt an, echt gemütlich zu werden.«
    »Es ist ja nicht nur das Wochenende«, sage ich. »Ich werde von ihm wie ein Kleinkind behandelt, das man ständig beaufsichtigen muss. Komm mal zu mir ins Zimmer, dann wirst du staunen, was passiert.«
    Doch es zeigt sich in der nächsten Sekunde, dass wir dafür gar nicht zu mir ins Zimmer gehen müssen. Die Tür öffnet sich und Papa tritt ein.
    »Das habe ich mir doch gedacht, als ich Andreas in der Küche sitzen sah.«
    Was gedacht? Dass Jan und ich in der Zwischenzeit wilden Sex hätten?
    Allmählich werde ich echt sauer. Ich habe noch das
Oxford-Buch in der Hand, doch ich denke nicht daran, es als Alibi zu nehmen.
    »Du gehst langsam zu weit«, sage ich. »Das lasse ich mir nicht länger gefallen. Du bist ein solcher Oberspießer!«
    »Toni, bitte«, sagt Mama, die jetzt auch in Andreas’ Zimmer steht. Doch ich merke deutlich, dass nicht ich es bin, die sie zornig macht.
    »Du stellst dich und deine Tochter bloß«, sagt Mama und funkelt Papa an. »Komm, lass die beiden jetzt allein.«
    Doch erst einmal drängen sich Andreas und Adrian hinein.Vielleicht könnte man auch noch unsere Nachbarin mit ihrer Katze Ginger dazubitten …
    Ich habe keinen Stein mehr im Magen, sondern nur noch Zorn. Ich stelle erstaunt fest, dass er mich stark macht.
    Das Zimmer leert sich so schnell, wie es sich gefüllt hatte. Jetzt sind wir nur noch zu dritt. Andreas, Jan und ich.
    Andreas lässt sich aufs Bett fallen. »Ich habe gedacht, er sei lockerer geworden«, sagt er, »er war völlig anders drauf im Harz.«
    »Er hat Angst, die Kontrolle zu verlieren«, sagt Jan.
    »Ja«, sagt Andreas, »er ist der totale Kontrollfreak.«
    »Es tut mir leid«, sagt Jan.
    »Nein«, sage ich, »das tut mir leid, dass du hier in eine solche Klapsmühle geraten bist. Am liebsten würde ich abhauen.«
    »Du übertreibst, Schwesterlein. Du übertreibst genau wie unser Vater.«

    Einen Augenblick lang stelle ich mir vor, wie es wäre, bei Oma zu wohnen. In ihrer Klinkerschnitte. Es gibt bei ihr ein Zimmer, das Oma kaum nutzt.
    Ich muss sie unbedingt sprechen und ihr von dem Schlüssel erzählen, der aus Italien gekommen

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