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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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unserer Tür. Ich klingele.
    Mama macht auf und hat eine dicke Schicht Quark im Gesicht.
    Ich habe nichts dagegen, wenn wir weniger davon essen und ihn uns dafür ins Gesicht klatschen. Ich bin für Schönheit. Bin für alle Oberflächlichkeiten.
    Das Leben ist im Augenblick zu ernst.
    Ein schriller, hoher Ton. Ich zucke zusammen.
    »Papa hat Adrian eine Blockflöte gekauft«, sagt Mama, »er will, dass Adrian bis Weihnachten ›Alle Jahre wieder‹ spielen kann.«
    Musikalische Früherziehung. Muss das denn sein?
    »Ich bin in eine Talkshow eingeladen«, sagt Mama.
    Darum der Quark. Sie holt jetzt alles aus sich heraus fürs Fernsehen.
    »Warum?«, frage ich.
    »Der Mann im Ärmelkanal«, sagt Mama, »sie haben ihn gefunden. Er lebt mit einer anderen Frau in England.«
    »Er hat alles nur vorgetäuscht?«, frage ich.
    Mama nickt. »Man glaubt es nicht«, sagt sie, »seine arme Frau.«
    »Worum geht es eigentlich bei deinem Dornröschen?«, frage ich.
    »Da ist ohnehin alles nur getürkt«, sagt Mama.
    »Und wenn du da in eine Talkshow eingeladen wirst?«

    »Jetzt kommt erst mal die«, sagt sie, »und die ist schon morgen.«
    Sie grinst. Ist sie gar nicht aufgeregt?
    Ich hätte gern mal eine Pause von der Aufregung.

74
    Wir sitzen zu fünft bei Oma und essen Chips und trinken Cola, Andreas, Adrian, Jan und ich. Nur Papa nicht. Er sitzt im Publikum der Talkshow und wartet darauf, dass Mama dran ist. Darauf warten wir auch, hier bei Oma.
    Jetzt spricht gerade die verhinderte Witwe. Ganz so groß kann ihr Schock nicht sein. Sie sitzt im Glitzerpulli vor der Kamera und macht den Eindruck, als wolle sie gleich winken und Leute grüßen.
    Mama wird als Reporterin vorgestellt, die diese Geschichte ins Rollen gebracht hat. Mama leuchtet. Das Scheinwerferlicht steht ihr gut.
    Ob Papa stolz auf sie ist? Oder stört der Rummel seine Ordnung?
    Ich schaue zu Jan, der heute wieder viel gelöster wirkt. Er schwankt so sehr in seinen Stimmungen. Ich denke, dass es von seiner Verletzung kommt. Doch Oma meint, es seien die Turbulenzen in seiner Seele.
    Halte ich das alles aus?
    Papa weiß, dass auch Jan bei Oma ist.
    »Er kennt sich ja schon gut aus bei ihr«, hat er gesagt.
Ganz locker klang das noch nicht. Doch er ist auf dem Weg der Besserung.
    Kaum ist die Talkshow zu Ende, klingelt das Telefon. Wir denken, dass es Papa ist, doch es ist Opa. Er hat seine Schwiegertochter gerade gesehen.
    Bis in die Toskana hat Mama über Satellit geleuchtet.
    Oma legt auf und sagt, dass er doch noch nicht im Dezember kommt. Erst im Januar. »So war er immer«, sagt sie, »nicht wirklich zuverlässig.«
    Oma will uns ein Taxi rufen. Doch wir beschließen, zu Fuß nach Hause zu gehen. Es ist sternenklar und kalt. Wir brauchen das, um einen klaren Kopf zu kriegen. Auch Adrian ist noch ganz aufgedreht.
    Vor mir gehen mein großer und mein kleiner Bruder Hand in Hand.
    Jan hat den Arm um mich gelegt. Wir bleiben ein paar Schritte zurück.
    »Ich weiß, dass ich es dir nicht leicht mache«, sagt er, »bitte hab Geduld.« Ich sage nichts. Doch ich drücke mich ganz fest an ihn.
    »Die Baskenmütze steht dir übrigens super«, sagt Jan.
    »Da seid ihr ja endlich«, sagt Adrian, als wir vor unserer Tür ankommen.
    »Wir gehen schon mal rauf, Kleiner«, sagt Andreas, »die beiden wollen sich noch voneinander verabschieden.«
    Ich werde meinem großen Bruder alle Marzipanstücke aus meinem Adventskalender schenken. Er ist ein Schatz.

75
    Hanna stand gestern vor der Tür. Das hat sie lange nicht getan. Zuletzt war sie da, nachdem ich sie in der Schanze bei Lilli gefunden hatte. Sie strahlte mich an und gratulierte zu Mama Superstar.
    Dann drückte sie mir eine Papprolle in die Hand.
    »Kleine Aufmerksamkeit zum ersten Advent«, sagte sie.
    Ich zog ein Poster hervor. Es ist von Ed Hardy. Ein Totenkopf mit einem roten Herz. Drum herum ranken sich Rosen.
    »Love kills slowly«, steht darauf.
    Ist ein ziemlicher Kontrast zu »Wie ein einziger Tag«.
    Andreas ist so hingerissen, dass er es mir am liebsten von der Wand holen würde. Ich muss ihn mal fragen, was mit Lena ist.
    Papa kam von seinem Samstageinkauf auf dem Markt und war dauernd angesprochen worden auf Mamas Auftritt in der Talkshow. Alle müssen gestern vor dem Fernseher gehangen haben, ob Fischhändlerin oder Eiermann. Sogar der nette Gärtner mit dem Schnauzbart, bei dem Mama die Pflanzen für die Balkonkästen kauft und bei dem Papa unseren Adventskranz gekauft hat.
    Heute Morgen haben wir die

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