Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
nicht, dass es eine gute Idee ist, dich jetzt allein nach Hause gehen zu lassen.«
»Ich komme schon klar.«
»So sieht es aber nicht aus.« Oliver brauchte nur einen kurzen Moment, um eine Entscheidung zu treffen. »Ich werde dir ein Taxi rufen lassen.«
»Das kann ich auch selbst tun.«
Oliver schüttelte den Kopf. »Keine Diskussion.« Er zog Jennifers Telefon zu sich heran.
»Herrgott noch mal, ich bin kein Baby mehr!«, schrie sie ihn unvermittelt an. Sie hätte sich einfach umdrehen und gehen können, blieb aber mitten im Raum stehen.
Mit dem Hörer in der Hand atmete Oliver zweimal tief durch, trotzdem war ihm sein Zorn deutlich anzuhören. »Das habe ich auch nicht behauptet. Ich mache mir Sorgen, Hannah, das ist alles.«
»Spar dir deine Sorgen!«, zischte sie wütend. »Wenn du sichergehen willst, dass ich tatsächlich nach Hause fahre, solltest du mich wohl lieber von einem Beamten dorthin bringen und irgendwo festketten lassen!«
»Gute Idee!«
Sie funkelten sich gegenseitig an, keiner sagte mehr ein Wort.
Jennifer kehrte von ihrer Runde zurück. Sie setzte sich an den Computer und tat so, als hätte sie nichts mitbekommen. Einerseits signalisierte sie damit, dass sich Vater und Tochter nicht von ihrer Anwesenheit stören lassen sollten, andererseits war es ein unmissverständliches Zeichen an Oliver.
Sie waren auf eine vielversprechende Fährte gestoßen, und Jennifer wollte weiterarbeiten. Sie hätte ihm gerne gesagt, dass er heute Nacht ohnehin nichts Brauchbares mehr aus Hannah herausbekommen würde, doch sie hielt sich zurück. Er hätte eine solche Äußerung leicht als Einmischung werten können und womöglich noch geglaubt, dass sie Partei für Hannah er griff.
Oliver gab als Erster auf und knallte den Telefonhörer auf den Apparat. »Also schön, dann fahr halt nach Hause … oder wohin auch immer du willst. Aber die Sache ist damit noch nicht erledigt.«
»Ist sie wohl.«
Oliver spürte, wie er unwillkürlich die Hände zu Fäusten ballte, und bemühte sich, sie bewusst zu entspannen. »Darüber reden wir spätestens morgen früh – in aller Ruhe.«
»Mein Leben geht dich nichts an!«
»Du entscheidest, was mich etwas angeht und was nicht – aber nur, solange die Polizei dich nicht hier aufs Revier schleppt!«
Jennifer wünschte, sie würde über die Fähigkeit ihrer Katze verfügen, jedes störende Geräusch auszusperren. Ihre Geduld mit den beiden Streithähnen sank rapide – vor allem, weil die Diskussion derart sinnlos war.
»Es ist doch überhaupt nichts passiert!«, rief Hannah. »Warum spielst du dich so auf?!«
Das Auskunfts- und Fahndungssystem der Polizei zeigte einen Treffer an. Jennifer klickte auf den Eintrag und überflog die Informationen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich augenblicklich. »Oliver?«
»Verdammt noch mal, Hannah! Weil sehr wohl etwas passiert ist! Und zwar keine Kleinigkeit!«
»Oliver?!«
»Die Polizei hat dich nachts aufgegriffen, weil du randaliert hast! Das ist …«
Jennifer stand energisch von ihrem Stuhl auf. »Herr Grohmann!«
Endlich hatte sie seine und ebenfalls Hannahs Aufmerksamkeit. »Was denn?!«, fragte er unwirsch.
Jennifer deutete auf den Bildschirm. »Ich denke, das hier solltest du dir ansehen.«
Es genügte ein kurzer Blickkontakt mit der Kommissarin, um zu wissen, dass er seine privaten Probleme augenblicklich zurückstellen musste. Er sah von Jennifer zu Hannah, die mit vor der Brust verschränkten Armen und wütend verzogenem Schmollmund die Stellung hielt. Obwohl er noch immer sauer war, gelang es ihm, einen einigermaßen versöhnlichen Tonfall anzuschlagen. »Fahr nach Hause, Hannah.«
Dann wandte er sich dem Bildschirm zu. Jennifer hatte sich inzwischen wieder hingesetzt. Olivers Stimme klang noch immer leicht gereizt, als er fragte: »Was hast du gefunden?«
»Einen Mord an einer Prostituierten letztes Jahr in Frankfurt. Der Täter ist durch einen Zeugen gestört worden, konnte aber trotzdem nicht identifiziert werden. Die Kollegen haben Drachs Visitenkarte bei der Toten gefunden.«
Oliver war wieder voll auf den Fall konzentriert und überflog die Daten, die auf dem Computerbildschirm angezeigt wurden. »Ist er dazu befragt worden?«
Jennifer schüttelte den Kopf. »Die Frankfurter Kollegen wollten eine Anfrage an uns schicken, offenbar ist das aber niemals passiert. Das Opfer hatte eine ganze Sammlung Visitenkarten bei sich. Die Kollegen sind wohl davon ausgegangen, dass es sich um Kunden der Dame
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