Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
begriff nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hatte. Sie warf ihrem Vater einen unsicheren Seitenblick zu, bevor sie antwortete: »So ungefähr vor zwei Stunden.«
»Bei ihnen zu Hause?«, hakte Oliver nach.
Hannah schüttelte den Kopf. »Es gibt einen Keller … unter dem Rewe in der Nähe der Feuerwehr … Zumindest bin ich an der Haltestelle aus dem Bus gestiegen.«
Ein Keller unter einem Supermarkt. Das wurde ja immer besser! Der Staatsanwalt hatte Mühe, Ruhe zu bewahren, doch Hannahs Umtriebe mussten warten. »Denkst du, dass sie noch dort ist?«
Hannah zuckte die Schultern. »Ich wüsste nicht, wohin sie hätte gehen sollen.«
Jennifer hatte bereits den Telefonhörer in der Hand, während sie im Internet noch nach der genauen Adresse des Supermarktes suchte. Während die Kommissarin wählte, ließ sich Oliver von Hannah Tobias’ Handynummer geben und rief ihn von Marcel Meyers Apparat aus an. Die beiden Beamten legten gleichzeitig auf.
»Eine Streife ist auf dem Weg zu dem Rewe-Markt. Wenn sie Selina dort antreffen, bringen sie sie hierher. Andernfalls überprüfen sie die Wohnadresse der Geschwister.«
Oliver hatte weniger gute Neuigkeiten. »Jesajas Handy ist ausgeschaltet.« Er blickte nur kurz zu Hannah hinüber, die verwirrt und beschämt zu Boden starrte, bevor er wieder Jennifer ansah. »Ruf Mironowa und Herzig an. Sie sollen das Leben von diesem Fotografen durchleuchten und eine Verbindung zwischen ihm und unseren Opfern finden. Wir brauchen Beweise.«
»In Ordnung.« Jennifer entging nicht, dass noch eine wichtige Information fehlte. Nachdem sie das Telefonat mit Katia beendet hatte, fragte sie deshalb: »Und was machen wir in der Zwischenzeit?«
»Wir statten Jürgen Drach einen Höflichkeitsbesuch ab. Mal sehen, was er über die nicht genehmigte Nutzung von Gewerberaum zu Wohnzwecken zu sagen hat. Oder über seine Kontakte zu toten Prostituierten.«
»Ist es für deinen Geschmack nicht ein bisschen früh, dem Herrn auf den Zahn zu fühlen?«, fragte Jennifer mit hochgezogenen Augenbrauen. Sie hatten einige beunruhigende Verdachtsmomente aufgedeckt, die aber keinesfalls eindeutig waren und für einen richterlichen Beschluss kaum ausreichen würden. Effektiv hatten sie gegen den Fotografen nichts in der Hand. Noch nicht.
Für einen kurzen Moment streiften seine Augen Hannah, dann musterte der Staatsanwalt das Foto auf dem Bildschirm. »Er soll wissen, dass wir ihn im Visier haben.«
Jennifer schloss die oberste Schreibtischschublade auf und holte ihre Dienstwaffe hervor. »Er wird alles andere als erfreut sein, uns zu sehen.« Während sie die Pistole in das Holster an ihrem Gürtel schob, sah sie Oliver ernst an. Ihr sogenannter Höflichkeitsbesuch konnte sehr leicht eskalieren. Noch hatte er Gelegenheit, seine Entscheidung zu überdenken.
Hannah hatte leise zu weinen begonnen und blickte verwirrt zwischen den beiden Erwachsenen hin und her.
»Was wird aus ihr?«, fragte Jennifer, die sich nicht vorstellen konnte, dass Oliver seine Tochter jetzt noch nach Hause schicken würde. Erst recht nicht alleine.
Der Staatsanwalt zögerte nur kurz. »Ich denke, die Kollegen unten im Revier haben ein warmes Plätzchen für sie.«
17
Sie waren gerade aus dem Hinterhof des Präsidiums gefahren, als Jennifer fragte: »Wer sind dieser Jesaja und diese Jezebel eigentlich genau?«
Oliver seufzte. »Sie heißen eigentlich Selina und Tobias Fiedler und sind Geschwister. Sie ist Malerin, er ihr Manager und ein absoluter Dreckskerl. Er nutzt die düstere Kunst seiner Schwester, um sich als eine Art Guru der schwarzen Szene zu profilieren.« Der Staatsanwalt schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, wie Hannah ausgerechnet an diesen Typen geraten konnte.«
Das war für Jennifer eher nebensächlich. Für Jugendliche in Hannahs Alter gab es unendlich viele Möglichkeiten, an die falschen Leute zu geraten. »Woher kennst du die beiden denn?«
Er zögerte einen Moment. »Durch die Band. Wir hatten vor ein paar Monaten einen Auftritt auf einer von Fiedlers Veranstaltungen. Eine Art Ausstellung mit den morbiden Bildern seiner Schwester, bei der er für jeden etwas bieten wollte, der auch nur im Entferntesten Sinn für Dark Fantasy hat. Eineinhalb Stunden live gespielten Symphonic und Gothic Metal inklusive.«
Jennifer versuchte sich Oliver auf der Bühne vorzustellen. Spielte er eigentlich nur Gitarre oder sang er auch? Im Stillen entschied sie, irgendwann eine Möglichkeit zu finden, sich einen
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