Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)

Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)

Titel: Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Saskia Berwein
Vom Netzwerk:
wurde.
    Hannah musste schlucken, bevor sie sich zwei Schritte in den düsteren Raum hineinwagte, der Schlafzimmer, Folterkammer und Schreckenskabinett zugleich zu sein schien. »Du schläfst hier?«, fragte sie mit dünner Stimme.
    »Ja. Ich fühle mich in diesem Raum sehr wohl.« Jesaja schloss die Tür.
    Hannahs Herz stolperte in ihrer Brust, dabei wusste sie nicht einmal genau, weshalb. Was fühlte sie? Angst? Ja. Faszination? Ja. Sie musste hier weg. Aber wollte sie das überhaupt? Sie atmete tief durch und ließ ihren Blick erneut durch das Zimmer schweifen. »Ich könnte hier kein Auge zutun«, flüsterte sie schließlich.
    Ihr Blick fiel auf ein Regal, das mit einem schwarzen Tuch verhängt war. Sie machte einen unsicheren Schritt darauf zu und blieb dann stehen.
    »Du kannst ruhig einen Blick riskieren«, sagte Jesaja hinter ihr. »Das ist meine ganz persönliche Sammlung.«
    »Was für eine Sammlung?«
    Er antwortete nicht. Sein Blick forderte sie nur stumm dazu auf, es sich anzusehen.
    Vorsichtig näherte sie sich dem Regal. Was mochte ein Mensch wie Jesaja sammeln, der jede Nacht in diesem grotesken Zimmer verbrachte und offenbar keine Alpträume bekam? Hannah ergriff einen Zipfel des Tuches, zögerte noch einen Moment und zog es dann herunter. Erschrocken wich sie zurück.
    In dem Regal standen Gläser, fein säuberlich aufgereiht, mit durchsichtigen bis hellgelben Flüssigkeiten gefüllt, in denen Organe schwammen. Menschliche Organe. Mehrere Augen, ein Gehirn, eine undefinierbare Masse, die sie nicht zuordnen konnte, und zwei Herzen.
    Hannah schnürte es augenblicklich die Kehle zu.
    »Schockiert dich das?«, flüsterte Jesaja. Sie spürte, dass er ihren Arm berührte. Zärtlich, sanft. Sein Atem an ihrem Ohr.
    Ihr Herz raste. Sie wollte fliehen, und blieb doch vollkommen erstarrt stehen. Seine Berührung erweckte Ekel und inneren Aufruhr zugleich.
    Dann schrillte das Geräusch der Türklingel durchs Haus.

10
    Oliver bog in den Parkplatz des Gymnasiums ein und hielt in zweiter Reihe an. Der Schulhof war bis auf einige vereinzelte Schüler verlassen. Er warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett, die Zahlen waren jedoch so schwach beleuchtet, dass er sie in der morgendlichen Dunkelheit nicht entziffern konnte.
    »Ich fürchte, wir sind spät dran«, murmelte er mit einem Seitenblick zu Hannah.
    Sie hatte den ganzen Morgen noch kaum ein Wort mit ihm gewechselt, und auch die Fahrt über hatte sie schweigend neben ihm gesessen. Jeden seiner Versuche, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, hatte sie geflissentlich ignoriert oder lediglich mit einem Grummeln beantwortet. Sie hatte nicht einmal gefragt, warum er ihr eigentlich angeboten hatte, sie zur Schule zu fahren.
    Irgendetwas schien sie zu beschäftigen. Oliver konnte jedoch nicht einschätzen, ob ihre seltsame Laune etwas mit ihm zu tun hatte oder ob er nicht ohnehin übertrieb. Teenager galten im Allgemeinen als launisch, und er hatte keine Ahnung, welche Art von Verstimmung bei seiner Tochter ernst zu nehmen war und welche nicht.
    Das Auto war kaum zum Stehen gekommen, als Hannah den Sicherheitsgurt löste und die Tür öffnen wollte. Sie hatte es eilig. Etwas zu eilig.
    »Hannah, warte.«
    Sie verharrte, wenig begeistert darüber, dass er sie aufhielt. »Ich komme zu spät.«
    »Fünf oder zehn Minuten, das macht jetzt keinen Unterschied mehr«, erwiderte Oliver. Er ließ sich nicht anmerken, dass ihm ihr Tonfall ganz und gar nicht gefiel. »Zu spät kommst du auf jeden Fall.«
    Sie stieß ein kaum wahrnehmbares Seufzen aus, während sie sich in den Autositz zurücksinken ließ und die Arme vor der Brust verschränkte. »Wenn du meinst.«
    Oliver hätte ihr gerne in die Augen gesehen, doch sie starrte nur vor sich hin. »Du machst auf mich einen irgendwie … nachdenklichen Eindruck.«
    Hannah zuckte die Schultern. »Kann sein, vielleicht. Es ist nichts Besonderes.«
    Oliver glaubte ihr nicht. Ihre Reaktion sollte überspielen, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Gerne hätte er sie direkt gefragt, was los war, doch das hatte wahrscheinlich wenig Sinn. Hannah mauerte bereits. »Was hast du eigentlich am Wochenende gemacht?«, fragte er. »Wir haben uns kaum gesehen.«
    »Gelernt, gezockt, mich von Fast Food ernährt.« Wieder ein Schulterzucken. »Solche Dinge eben.«
    Sie belog ihn zweifellos. »Das Mädchen, das am Samstag zum Lernen da war, Aileen, richtig?«
    Hannah nickte nur. Sie wich seinem Blick noch immer aus. Kein gutes

Weitere Kostenlose Bücher