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Herzensruhe

Herzensruhe

Titel: Herzensruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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auch der, der immer etwas von ihr will, vor dem sie nie genug tut und dem sie nie gerecht wird. Vor
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    diesem Gott ist sie immer Sünderin. Ein solches Gottesbild wird sie nie zur Ruhe kommen lassen. Sie wird nie in die Ruhe Gottes eingehen, sondern Gott als den ewigen Ruhestörer erfahren, der sie mit Schuldgefühlen martert und beunruhigt. Die Wut wäre die Kraft, dieses negative Vater- und Gottesbild aus sich herauszuwerfen. Dann schafft die Wut einen Freiraum, in dem die Frau zur Ruhe kommen könnte.

    In der Zelle bleiben

    Ein wichtiger Weg zur Ruhe ist im Mönchtum das Ausharren im eigenen Kellion. Die Einsiedler, die in ihrem Kellion wohnten und arbeiteten, verspürten häufig die Versuchung, vor ihrer Einsamkeit davonzulaufen und sich in der Welt nützlich zu machen. Dort könnten sie Kranke besuchen, den Armen helfen.
    Damit würden sie das Gebot Christi erfüllen. Doch in der Wüste verläuft ihr Leben, ohne daß andere davon Notiz nehmen. Das ist doch sinnlos. Die Mönche kennen solche Gedanken, die sie aus dem Kellion treiben möchten. Doch ihr Rat lautet immer wieder: „Geh in dein Kellion und setze dich nieder, und das Kellion wird dich alles lehren“ (Apophthegmata 500). Ich muß in meinem Kellion gar nicht fromm sein. Ich muß weder beten noch fasten. Aber ich darf meinen Leib nicht aus den Mauern des Kellions hinauswerfen, wie es in einem Väterspruch heißt.
    Wenn ich äußerlich in meinem Kellion aushalte, dann kommen auch meine Gedanken in Ordnung. Ich werde meiner eigenen Wahrheit begegnen. Die wird anfangs nicht sehr angenehm sein.
    Aber wenn ich nicht gleich weglaufe, sondern bleibe und die Gedanken vor Gott anschaue, verlieren sie ihre Macht über mich und werden sich bald verflüchtigen und beruhigen. Die äußere stabilitas, das äußere Bleiben, erzeugt allmählich eine innere Stabilität, eine innere Festigkeit und Ruhe.
    Heute gibt es unzählige Fluchtmöglichkeiten. Wir brauchen
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    uns nur ins Auto zu setzen und woanders hinzufahren. Oder wir setzen uns vor den Fernseher und werden sogar in unseren eigenen vier Wänden in die Fremde geführt, die uns zerstreut, die uns von uns selbst wegführt. Schon Pascal hat darüber geklagt, daß heute keiner mehr allein in seinem Zimmer bleiben kann. Darin sieht er die größte Not seiner Zeit. Was würde Pascal wohl heute sagen, wo es noch weit mehr Fluchtmöglichkeiten gibt als im 17. Jahrhundert? Sich selbst auszuhalten, ohne sich abzulenken, selbst ohne ein Buch zu lesen, das ist gar nicht so einfach. Wir meinen dann vielleicht, wir könnten die Zeit nützen und etwas studieren. Oder wir könnten etwas erledigen, was wir schon lange liegen gelassen haben. Aber im Kellion bleiben meint, daß ich einmal bewußt gar nichts tue, daß ich nur dasitze und mich vor Gott wahrnehme. Was taucht in mir auf? Was beschäftigt mich eigentlich? Was bewegt mich innerlich? Vielleicht spüre ich Ärger oder Angst oder Unzufriedenheit. Die Mönche vergleichen dann ihr Tun mit dem des Fischers. Der sitzt ruhig vor dem Wasser und wartet, bis ein Fisch auftaucht. Dann fängt er ihn und wirft ihn ans Land. So soll der Mönch wachsam am Meer seines Herzens sitzen und warten, bis die Fische seiner Gedanken und Emotionen auftauc hen. Dann kann er sie fangen und sie hinauswerfen. Aber wer in der Ruhe das Wasser seines Herzens betrachtet, fängt nicht nur die Fische, die auftauchen.
    Er kann auch sich selbst wie in einem Spiegel sehen. Das hat ein Einsiedler seinen Besuchern vorgeführt, die ihn provozieren wollten, daß sein Bleiben in der Einsamkeit doch nutzlos sei. Er führt sie an seinen Brunnen. Dann wirft er einen Stein hinein und fordert seine Besucher auf, hineinzusehen. Sie sehen nur Wellen. Dann läßt er sie warten, bis alles ruhig ist. Nun sehen sie sich wie in einem Spiegel. Nur wer den Mut hat, in seinem Kellion zu bleiben und im Schweigen in den Spiegel seiner Seele zu schauen und seine Wahrheit vor Gott auszuhalten, findet den Weg zu wahrer Ruhe.
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    Der achtsame Türhüter

    Ein anderes Bild, das die Mönche gerne benutzen, um ihren Weg der Ruhe zu beschreiben, ist das des Türhüters. Evagrius fordert in einem Brief einen befreundeten Mönch auf, er solle ein aufmerksamer Türhüter sein: „Sei ein Türhüter deines Herzens, und laß keinen Gedanken ohne Befragung herein.
    Befrage einen jeden Gedanken (einzeln), und sprich zu ihm: Bist du einer der unseren oder einer unserer Gegner? Und wenn er zum Hause gehört, wird er dich mit

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