Herzensruhe
Frieden erfüllen. Wenn er aber des Feindes ist, wird er dich durch Zorn verwirren oder durch eine Begierde erregen.“ Er soll also jeden Gedanken befragen, der in das Haus des Geistes eintreten möchte, ob er zu ihm gehöre oder nicht, ob er ihm guttue oder nicht. Auf diese Weise kann er sein Haus vor Hausbesetzern schützen, vor negativen Gefühlen, die sich im Haus breitmachen und uns in Unruhe versetzen. In das Haus des Geistes dürfen nur Gedanken eintreten, die Gott entsprechen und die dem Menschen nicht schaden. Auf diese Weise kann der Mönch den inneren Frieden bewahren. Er bleibt Herr in seinem Haus und erhält das Haus offen für Gott, damit er darin wohne und es mit seinem Frieden erfülle.
Die Mönche nennen diese Haltung, die im Bild des Türhüters ausgedrückt wird, auch „nepsis“: Wachsamkeit, Achtsamkeit, genaue Beobachtung der Gedanken und Gefühle. Nepsis ist ein wesentlicher Weg zur Herzensruhe. Wenn ich achtsam in allem bin, was ich tue, dann kann mich ein Konflikt nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Ich bin bei mir, und so haben andere nicht die Macht, mich von mir wegzubringen. Bei mir sein, in mir ruhen, achtsam im Augenblick sein, wach sein bei allem, was auf mich einströmt, das sind für die Mönche bewährte Wege zur inneren Ruhe. Ein anderer Weg, um zur Herzensruhe zu gelangen, beginnt bei den Sorgen, die der Mönch zuerst überwinden muß.
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So rät Abba Poimen einem Mönch, der überall nach der Ruhe gesucht, sie aber nicht gefunden hat: „Geh, such dir eine zahlreiche Menge, bleibe unter ihr, und lebe wie einer, der nicht existiert, und sage: Ich bin ohne Sorge. So wirst du die höchste Ruhe haben“ (Eth Coll 14,66). Die Mönche nennen nicht umsonst die Ruhe auch amerimnia (= Sorglosigkeit, Freiheit von Sorgen). Aber es ist schon ein eigenartiger Weg, auf dem Poimen hier die Sorglosigkeit sucht. Mitten unter den Menschen möchte er wie einer sein, der nicht existiert. Mitten unter den Menschen fühlt er sich wie einer, der nicht dazugehört, wie einer, der fremd ist, weil er nicht nur ein Mensch dieser Erde, sondern auch ein Mensch des Himmels ist. Wenn ich mir bewußt werde, daß in mir ein Bereich ist, der über diese Welt hinausreicht, dann kann ich mitten im Trubel Ruhe bewahren.
Denn diesen innersten Bereich geht die äußere Geschäftigkeit nichts an. Das mag uns fremd erscheinen. Aber wenn ich mich mitten in den Aktivitäten des Geschäftsalltags nicht von Erfolg und Mißerfolg, nicht von Anerkennung und Ablehnung definiere, sondern von Gott, dann kann ich mitten in der Verantwortung meiner Arbeit doch innerlich ruhig bleiben.
Das Ziel der Herzensruhe ist das Andenken an Gott (prosoche) oder das beständige Denken an Gott (mneme tou theou). Im Herzensgebet wird das zum ständigen Denken an Jesus Christus, wenn man mit jedem Atemzug das Jesusgebet spricht. Die Ruhe, die der Mönch sucht, ist nicht Selbstzweck.
Sie dient dazu, daß der Mönch immer und überall beten kann und ganz und gar auf Gott ausgerichtet ist, daß er eins wird mit Gott. Das ist vor allem das große Thema bei Evagrius Ponticus.
Für ihn heißt Kontemplation, daß der Mönch erst einmal alle leidenschaftlichen Gedanken und Sorgen losläßt, dann aber auch alle Bilder und Gedanken von Gott. Erst im reinen Schweigen kann er eins werden mit Gott. Dann erst kann er das Gebet als das größte Geschenk erfahren, das Gott dem Menschen gemacht hat. „Gibt es denn etwas, das besser ist als ein inniger Umgang
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mit Gott und höher, als ganz in seiner Gegenwart zu leben? Ein Gebet, das durch nichts mehr abgelenkt wird, ist das Höchste, das der Mensch zuwege bringt.“ Herzensruhe, Gebet und Kontemplation, das ist für Evagrius Ponticus eine Einheit. Der Mönch geht seinen Mönchsweg, um in der Ruhe des Herzens ungestört und ohne Zerstreuungen beten zu können und so mit Gott eins zu werden.
Die Lehre des Griechen Evagrius wurde von Cassian in die lateinische Kirche hineingetragen. Cassian ist einer der Hauptzeugen für Benedikt, der als Vater des abendländischen Mönchtums gilt. Er lebte etwa von 480 bis 547 und hat eine klösterliche Gemeinschaft in Montecassino gegründet und für sie eine Regel geschrieben. Im letzten Kapitel seiner Regel empfiehlt Benedikt ausdrücklich die „Unterredungen“ und
„Einrichtungen“, die beiden Werke Cassians, und nennt sie
„Anleitungen zur Tugend für Mönche“ (Benediktregel 73).
Benedikt setzt in seiner Regel den Weg zum inneren Beten voraus.
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