Herzensstürme - Roman
Rufe begleiteten sie, Hundegebell, ein kleiner Knappe warf sogar mit einem Stein nach ihnen. Auch oben im Turm hatte man die Fenster geöffnet, Gesichter schauten auf sie herab, Arme reckten sich, so manche Hand war zu einer Faust geballt.
»Achte nicht auf sie«, sagte Connor in kaltem Zorn. »Folge mir.«
Sie hatte nur einen kurzen Blick hinauf zu den Turmfenstern gewagt, doch im zweiten Stockwerk, wo Malcolm sich aufhielt, war niemand am offenen Fenster zu sehen. Und doch war sie fast sicher, dass er den Auszug seines Sohnes verfolgte.
»Weshalb befielt der Burgherr nicht das Tor zu schließen?«, tönte es aus der Menge, die ihnen bis zum Ausgang der Burg gefolgt war.
»Ein paar Tage im Kerker würden Connor schon zur Besinnung bringen.«
»Der kommt erst zur Besinnung, wenn diese Hexe ihn nicht mehr in ihren Fingern hat.«
»Ja, sperrt ihn ein und jagt die Zauberin ins Moor hinaus!«
»Lasst sie nicht davonreiten! Das Tor! Macht doch das Tor zu!«
Einen Augenblick lang fürchtete Brianna, dass Malcolm tatsächlich einen solchen Befehl geben könne, denn sie sah, dass die Torwächter erwartungsvoll zum Fenster des Burgherrn hinaufstarrten. Doch nichts geschah, ungehindert ritten sie aus der Burg, folgten dem schmalen Pfad, bis sie das Festland erreicht hatten, dann gab Connor seinem Pferd die Sporen, als habe er es eilig, seine Heimat zu verlassen.
Malcolm MacDean verzichtete darauf, seinen Sohn zu demütigen - er ließ ihn ziehen.
Sie ritten schweigend, jeder in seine Gedanken
versunken, nur hin und wieder blickte sich Connor zu Brianna um, als wolle er sich versichern, dass sie bei ihm war. Dann lächelte er ihr zu, ergriff auch ihre Hand und erklärte, wie glücklich er sei. Brianna spürte, dass sein Lächeln nicht frei, sondern gezwungen war, er musste sich mühen, um ihr seinen Kummer und seine düstere Stimmung zu verbergen, und es tat ihr weh, ihn leiden zu sehen. Doch sie war nicht in der Lage, ihn zu trösten, denn der Hass, der ihr im Burghof entgegengeschlagen war, hatte sie tief getroffen. Immer wieder zogen die Gesichter an ihr vorüber, sie hörte die Schmähungen, sah, wie der Stein gegen sie geworfen wurde, und plötzlich vermischten sich diese Bilder mit anderen, die aus der Tiefe des Vergessens in ihr aufstiegen. Wuterfüllte Fratzen, drohende Fäuste, Schmutzwasser, das von den Fenstern herab auf sie ausgegossen wurde. Der keuchende Atem einer jungen Frau, ihre angsterfüllten, dunklen Augen, ihre gehetzten Schritte. Ein Stein, der ihre Schulter traf, knapp an der Stirn des Kindes vorbei, das sie auf ihren Armen trug. Sie, Brianna, war dieses Kind gewesen. Damals hatte sie nicht verstanden, was um sie herum geschah, hatte sich an die Mutter geklammert und geweint. Jetzt aber empfand sie tiefe Bestürzung, und je länger sie sich diese hässlichen Bilder vor Augen rief, desto fester stand ihr Entschluss.
Die Sonnenstrahlen, die vorhin noch durch die Wolken drangen, hatten jetzt den Kampf gegen die grauen Ungetüme aufgegeben. Schwer hing der Himmel über Hügeln und Tälern, bald würden die ersten Abendnebel aufsteigen und sich mit dem Wolkendunst vereinigen. Der Sturm hatte das bunte Herbstlaub von den Bäumen gefegt und wie schmutzig gelbe und rötliche Flecken über die Wiesen gestreut.
Erst nach einer ganzen Weile, als sie den See und Glenworth Castle schon lange hinter sich gelassen hatten, fiel Brianna auf, dass alle vier Pferde jung und kräftig waren. Connor hatte ihren Klepper nicht mitgenommen, nicht einmal als Packpferd schien ihm das alte Tier noch brauchbar.
Ein mattes Rot schimmerte im Westen durch die graue Wolkendecke, und sie fürchtete schon, dass Connor in die Nacht hinein reiten wollte, doch er lenkte sein Pferd auf ein niedriges Gebäude zu, das sich dicht neben dem Bachlauf an den Fuß eines Hügels schmiegte. Es war eine Hütte, aus hellen Bruchsteinen erbaut, das Dach mit hölzernen Schindeln gedeckt, die Fenster waren dunkel, von innen mit hölzernen Läden verschlossen.
»Sein Besitzer nutzt sie nur im Sommer, wenn er sein Vieh auf diese Weiden treibt«, sagte Connor. »Wir werden hier in der Nacht vor Regen und Wind geschützt sein, morgen reiten wir weiter zum nächsten Ort. Dort gibt es eine Kirche und einen Priester.«
Brianna sah vom Rücken ihres Pferdes aus zu, wie er die Brettertür der Hütte öffnete und dann die Bündel von den Packpferden lud, um sie in der Hütte zu verstauen. Sie entschloss sich schließlich abzusteigen und half ihm die
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