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Herzensstürme - Roman

Titel: Herzensstürme - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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anerkennen wollte, den würde man auf die gleiche, erniedrigende Weise töten.
    Für einen kurzen Augenblick hatte er tatsächlich den irrwitzigen Wunsch verspürt, laut seinen Namen herauszubrüllen, sich auf das Podest zerren zu lassen und es Braveheart gleichzutun. Keine Folter, kein Schmerz konnte einen Mann dazu bringen, seine Heimat zu verleugnen. Doch er hatte es nicht getan. Vielleicht aus Feigheit, vielleicht auch deshalb, weil er lieber im Kampf sterben wollte, als auf einer Richtstätte geschändet und gemordet zu werden.

    Er glaubte plötzlich, die Schritte seiner Verfolger zu hören, laut und rasch, der Boden unter ihm schien zu beben. Er riss die Augen auf, hob den Kopf und blickte sich um. Keine Menschenseele war zu sehen, einige Vögel hockten am Bachrand, über ihm schwankten die grünen Weidenzweige vor dem wolkenlosen Sommerhimmel. Er begriff, dass es sein eigener Herzschlag gewesen war, der ihn genarrt hatte, und es machte ihm Angst. Wenn er schon seinen Sinnen nicht mehr trauen konnte, standen seine Chancen verflucht schlecht.
    Er raffte sich auf und kroch ein zweites Mal zum Bach hinüber, trank sich satt und blieb dann eine Weile kraftlos auf dem Bauch liegen. Die Wunde schmerzte stärker, seitdem die Bardin sie versorgt hatte - was auch immer das zu bedeuten hatte.
    Er musste einen klaren Kopf bewahren, das war es. Immerhin hatte er es bis hierher geschafft, das hatte er nur seiner Schlauheit und Vorsicht zu verdanken, ein anderer wäre längst in die Hände der Engländer geraten. Er durfte nicht vergessen, dass es einen Verräter gab, der seinen Tod wollte.
    Wieso vertraute er eigentlich dieser schwarzäugigen Bardin? Er grübelte vor sich hin, versuchte, trotz des wieder aufsteigenden Fiebers klar zu denken und hatte plötzlich das sichere Gefühl, in eine Falle getappt zu sein. Sie war hübsch und zärtlich, sie war hilfsbereit gewesen und hatte seine Wunde versorgt. Aber sie hatte ihm auf keinen Fall ihr Pferd geben wollen. Weshalb nicht? Weil sie nicht wollte, dass er über die Berge nach Schottland ritt?
    Aber wenn sie eine Verräterin war - weshalb hatte sie dann seine Wunde versorgt?
    Du Schwachkopf, sagte er zu sich selbst. Sie hat meine Verwundung behandelt, weil sie mich am Leben
erhalten wollte. Für einen Toten wird man ihr nicht viel geben, doch ein lebendiger Feind ist eine gute Belohnung wert. Sie ist schlau, die kleine Sarazenentochter. Er hatte nicht gesehen, wie viele Münzen sie aus seinem Beutel genommen hatte, doch vermutlich hatte sie alles eingesteckt. Niemand würde ihr später einen Diebstahl vorwerfen können - es waren englische Münzen, die hätte sie überall im Land verdienen können. Falls sie überhaupt eine Bardin war. Der Kleidung nach war sie es nicht, auch besaß sie kein einziges Instrument.
    Er stöhnte auf. Natürlich - sie hatte ihn angelogen, wieso war er so leichtgläubig gewesen. Sie war auf keinen Fall eine Bardin, viel eher eine Landstreicherin, die sich mit allerlei Tricks und Betrügereien durchs Leben schlug. Vielleicht gehörte sie zu einer Gaunerbande und teilte jetzt das gestohlene Geld mit ihren Kumpanen? Das konnte stimmen, es war sowieso ungewöhnlich, dass ein Mädchen ganz allein durch die Lande zog, wieso hatte er ihr diesen Unsinn geglaubt?
    Es war längst zu spät, sie war fort, es war nichts mehr zu retten. Wenn er sehr viel Glück hatte, dann begnügten sie sich damit, sein Geld einzustecken. Wenn er Pech hatte, dann war sie zur Burg geritten, und die Häscher würden recht bald hier auftauchen. Er raffte die letzten Kräfte zusammen, kroch auf allen vieren zu der Stelle, an der sein Schwert lag und fand dort auch seinen Geldbeutel. Zu seiner Überraschung war er noch gut gefüllt, sie hatte nur wenige Münzen herausgenommen.
    Auf das Geld war sie also nicht aus, dachte er verwirrt. Das beweist nur, dass sie auf einen besseren Lohn wartet. Den Lohn der Verräterin.

    Er fasste Schwert und Beutel mit der Rechten und kroch mühsam weiter ins Dickicht des Waldes hinein. Jeder Dummkopf würde die Spur deuten können, die er hinter sich ließ, die abgeknickten Zweige, die Eindrücke im Moos, die Gräser, die von der scharfen Schwertklinge abgeschnitten wurden.
    Es war gleich - er hatte am gestrigen Morgen graue Mauerreste im Wald gesehen, die von keinem Gebäude, sondern von einem uralten, einst mächtigen, heidnischen Wall stammten. Sie waren eine gute Rückendeckung - wenn er schon in die Hände der verfluchten Engländer fiel, dann

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