Herzensstürme - Roman
meinte es ehrlich.
Sie schnitt Käse, Brot und Äpfel zurecht und legte es ihm vor, er aß langsam, kaute vor sich hin und obgleich er wohl eine Weile gehungert hatte, schien er sich zum Essen zwingen zu müssen.
»Es war eine gute Idee, mich in dieses Dorf zu schicken«, erzählte sie nun, denn sie hielt das Schweigen nicht mehr aus. »Die Menschen dort sind freundlich, und sie lieben die Musik, Ich habe gesungen und getanzt - alle sind herbeigekommen, auch die Alten und die Kinder. Sie haben den Takt geklatscht und mit den Füßen gestampft, schließlich habe ich auf der Flöte zum Tanz geblasen - sie waren wie losgelassen und wollten kaum damit aufhören. Es ist seltsam im Leben - je mehr Kummer und Not die Menschen erleiden, desto stärker sehnen sie sich nach einigen Augenblicken, in denen sie ausgelassen und glücklich sein können.«
Mit geschickten Händen goss sie den Sud in seinen Becher und schob ihn beiseite, um das Gebräu
ein wenig abkühlen zu lassen. Dann machte sie sich daran, den Haferbrei zu bereiten, rührte im Topf herum und schwatzte weiter. Sie beschrieb die Dörfler, den krummen Alten, der kaum laufen konnte und sich dennoch im Tanz versucht hatte, die junge Frau, die so traurige Augen hatte und die bei ihren Weisen lächelte, auch den jungen Burschen, der ihr seine selbst geschnitzte Flöte geschenkt hatte.
»Du kannst also singen?«, unterbrach er ihren Redefluss.
»Ich kann alles, was eine gute Bardin verstehen muss. Singen und tanzen, ich spiele die Flöte, die Harfe und auch die Fiedel. Aber vor allem kann ich Lieder und Weisen erfinden, sie kommen einfach angeflogen, ich höre sie in meinem Inneren und singe sie nach.«
Er hatte sich aufgesetzt und trank brav seinen Kräutersud.
»Soll ich etwas vorsingen? Auf der Flöte spielen?«
Zum ersten Mal sah sie ihn lächeln und soweit sie im unruhigen Feuerschein erkennen konnte, war es ein anziehendes Lächeln. Wenn er sich Mühe gab, konnte er wohl so mancher Frau gefallen, der Herr Ritter.
»Ich würde dich gern singen hören, Brianna. Aber nicht jetzt.«
»Natürlich nicht«, gab sie zu. »Das war eine dumme Idee. Auch wenn es schon Nacht ist, so könnte man mich doch hören.«
Sie stellte ihm den Topf mit Haferbrei vor die Nase, doch er aß nur einige Löffel davon und behauptete dann, völlig satt zu sein. Sie ließ sich den Rest schmecken, kratzte den Topf leer und überlegte, ob sie ihm noch mehr erzählen sollte.
»Ihr seid nun sicher müde«, fragte sie zögernd.
»Ich habe den ganzen Tag vor mich hingedämmert - jetzt bin ich wach. Dein Sud ist ausgezeichnet - ich glaube, das Fieber ist gesunken.«
»Galgant und Schafgarbe«, meinte sie. »Auch habe ich Birkenrinde ins Feuer gelegt. Vor allem braucht Ihr einige Tage Ruhe, damit die Wunde heilen kann.«
Das Feuer war niedergebrannt, doch der Mond war am Nachthimmel erschienen, und wo sein Licht durch das Blätterdach drang, senkten sich zarte, silbrige Schleier bis zum Waldboden hinab.
Angus saß jetzt mit ausgestreckten Beinen, den Rücken an die Mauer gelehnt, und das Lächeln war immer noch nicht ganz aus seinen Zügen gewichen. Eigentlich hatte sie wenig Anlass, ihm gegenüber allzu vertrauensselig zu sein, doch irgendetwas zog sie zu ihm hin. Vielleicht war es die Art, wie er sie um Verzeihung gebeten hatte. Oder einfach seine Hilflosigkeit, die sie anrührte. Die schlimme Lage, in der er sich befand. Einen anderen Grund konnte es für dieses Gefühl kaum geben - schließlich hatte sie schon so manchen Ritter gesehen, der starke Muskeln und einen kampferprobten Körper hatte. Und lächeln konnten die hohen Herren alle recht fein - allerdings nur, wenn sie sich bestimmte Dinge von ihr erhofften.
Sie begann, von Logan zu erzählen. Wie schlecht er sie behandelt hatte, wie er sie ausgenutzt und am Ende sogar geschlagen hatte. Was ihr der Ritter Gilbert in der Burg angetan hatte, erwähnte sie nur kurz, denn sie schämte sich, doch sie gestand, dass sie ihrem Begleiter Logan gestern davongelaufen war.
Angus hatte aufmerksam zugehört, Mitgefühl spiegelte sich in seinen Zügen. Als sie am Ende war, schien er aufgebracht, seine hellen grauen Augen wurden schmal.
»Du hast recht getan, Brianna«, meinte er. »Auch wenn du jetzt ohne Beschützer bist, so ist es doch besser, als sich ein Leben lang erniedrigen zu lassen.«
»Oh, ich schaffe es auch allein«, prahlte sie. »Das habe ich heute in dem Dorf wohl gemerkt. Ich glaube fast, sie hätten mir nicht so
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